Vor allem das Bühnenbild! Und Alexandrina Pendatchanska.

Nicht sehr viele Besprechungen von Opernaufführungen muss man mit der Bühne beginnen – mit misslungener Regiearbeit manchmal, mit der Ausstattung so gut wie nie. Schon gar nicht im Positiven. Denn eine moderne Inszenierung, die nicht überfrachtet oder verzerrt, sondern einfach einen Raum schafft für das Geschehen einer Oper: viel zu selten gelingt das.

Unter den Armen der Ausstatter Vasilis Triantafillopoulos und Herbert Schäfer ist dieses Kunststück zu einer wirksamen Manifestation von Welterzeugung geworden. Für die nicht eben geistreiche Oper Telemaco des noch nicht in Paris in den Olymp aufgestiegenen Christoph Willibald Gluck erzeugen sie Raum, der aus einem riesigen beweglichen Präsentierteller besteht, der nahezu die gesamte Bühne einnimmt, aber dem Publikum nicht wirklich Einsicht gewährt, und – geniale Wendung des halben Konzepte zu ebener Erde – durch einen oben gehängten überdimensionalen runden Spiegel quasi ins Sphärische ausgeweitet wird. Der Grieche hat ja hier am Haus 2010 schon die Iphigenie beeindruckend umgesetzt.

Manches von der Handlung ist nur als Spiegelung sichtbar. Man kann daran sehen, dass es nicht immer das neumodische Video sein muss, um Brechung zu erzeugen, es geht auch mit innovativ eingesetzter alter Technologie. In diese Sphäre fügt Regisseur Thorsten Fischer viele Ensembleszenen ein, auch wenn der hier gestalterisch mitwirkende Arnold Schönbar Chor gar nicht zum Singen antritt, doch wird damit der Geschichtenhintergrund erzeugt, der weiteres zur Plastizität der Umsetzung hinzufügt.

Rainer Trost singt den Ulisse stimm-mächtig, aber darstellerisch eher auf dem Niveau eines möchtegern jung-gebliebenen Edmund Sackbauer. Ihm gegenüber Primadonna Alexandrina Pendatchanska als verschmähte Zauberin Circe – wie erwartet erweist sich die bulgarische Sopranistin als prägende Figur, auch gesanglich herausragend: die Wut der verschmähten Geliebten, die Aufwallung von Rachegelüst‘ bis hin zur Weltvernichtung sind, gerade in ihrer vergeblichen weil unglaubwürdigen Drohgebärde, atemberaubend. Glucks noch zutiefst barocke affektmalende Musik ist bravourös gesungen. Ulisse wird sie am Ende dennoch verlassen.

Das erste Liebespaar – eben nicht Circe und Ulisse – sondern dieser und die daheim in Ithaka zurück gelassene Penelope, hier dargestellt von einer Schauspielerin, bestreiten den ersten Teil der Oper. Das zweite Liebespaar – Telemaco und die gleichfalls auf der Insel festgehaltene Asteria haben einander vor Beginn der Oper gefunden – muss erst noch zusammengeführt werden, indem er sie befreit, im zweiten Teil, der irgendwie nicht besonders gut integriert erscheint. Sehr eindringlich gesungen wird die zunächst mit Ablaufdatum verliebte Gefangene von der jungen Valentina Farcas.

Bejun Mehta sollte den Telemaco singen, ist aber noch nicht hinreichend wieder hergestellt, also mimt er lediglich die Rolle auf der Bühne, während der Koreaner David DQ Lee aus dem Orchestergraben singt. Dabei erweist sich hörbar als Vorteil, dass er die seltene Rolle kennt. Man kann mit ihm sehr zufrieden sein, selbst wenn man gekommen ist, um Bejun Mehta zu hören.

Die deutsche Sopranistin Anett Frisch schließlich gibt den Begleiter des Telemach, Merione, aber davon ist wenig bemerkenswertes zu berichten. Ganz anders der Arnold Schönberg Chor, der wieder einmal viel gesangliche Arbeit und szenische Belebung auf der Bühne leistet: Glucks Chorpassagen fordern, und werden aufs Beste erfüllt und ausgefüllt.

Alte Musik-Spezialist René Jacobs führt die Akademie für Alte Musik Berlin durch das Werk, es wird kompetent musiziert: eine fundierte Vertrautheit mit dem Barockrepertoire kommt diesem mittleren Gluck durchaus noch zu Gute.

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