Die grossen Leiden der armen Superlative

So groß ist Österreich nicht – oder nur von innen betrachtet. Erstaunlich aber ist, dass es reichlich Raum bietet für Jahrhundert-Ereignisse. Zuletzt in der Medienbranche, sowohl im Fernsehen als auch bei der Zeitung.

Für Kopfschütteln vorher und viel Häme nachher gesorgt hat „die größte Programm-Reform aller Zeiten“, die der staatliche Fernsehsender ORF mit Start am 10. 4. hingelegt hat. Natürlich wurde das Ereignis begleitet von einer Kanonade aus Werbung und Positiv-PR, die genau betrachet das einzig wirklich Große am gesamten Ereignis war.

Noch drei Wochen genervten Erduldens dieser Segnungen wissen wir, dass der (Künigl-)Berg kreisste – und eine Maus gebar. Es geht nicht so sehr darum, was im Detail ins Programm gehievt und wie sehr oder wie wenig von den Zusehern goutiert wurde… es geht um eine Vermarktungshaltung, eine Grundeinstellung einiger Medienmacher ihren Konsumenten gegenüber, die rhetorisch nicht an sich halten können, gleichzeitig aber mit der Rhetorik schon alle Luft verblasen haben:

  • der neue „General“ Alexander Wrabetz griff zu allen nur erdenklichen Superlativen, um seine „größte Programm-Reform aller Zeiten“ anzukündigen, die – wenn schon – die schnellste Programm-Reform aller Zeiten müßte: mit nicht bloß bescheidenen, sondern in einigen Teilbereichen sogar katastophalen Ergebnissen
  • ein gewisser Herr Fellner, seines Zeichens Geburtshelfer zu ihrer Zeit äußerst erfolgreicher Zeitschriften-Projekte sowie Trauzeuge des größten heimischen Verlagskombinats in diesem Bereich, hatte in den neunziger Jahren die glorreiche Idee, die neu erstandene Vielfalt in der Radiolandschaft des Landes durch ultimativen Super-Sumpf-Radio-Sender zu bereichern – bei dem ebenfalls trotz horrenden Marketingaufwands nur bescheidene Überzeugungsarbeit bei den Zuhörern geleistet wurde; dafür wurden aber die garantiert besten Hits aller Zeiten gespielt
  • selbiger bepflastert derzeit die nennenswerten Innenstädte des Landes mit Tonnen von Altpapier – vulgo der besten Tageszeitung -, welche sogar vom Verein zur Kontrolle der Auflagenzahlen ÖAK bescheinigt erhielt, wie viel tausend Stück und damit Tonnen Papier sie Tag für Tag den heimischen Wäldern abringt – ob diese megalomanen Mengen auch entsprechende Mengen an Lesern und Leserinnen finden, steht allerdings in den Sternen

Warum ist es notwendig, dass Dinge, die erst die Konsumenten beurteilen können, schon vorher in die höchsten Sphären gelobt werden? An der Glaubwürdigkeit kann es nicht liegen, die läßt sich just durch das Trommeln von Werbesprüchen nicht injizieren.

Haben die handelnden Personen schon komplett vergessen, dass nach wie vor unumstößlich gilt: umso tiefer fällt, wer höher klettert? Muss man da noch mit aller Gewalt nachhelfen?

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