Die Welt ist ja doch in Ordnung

…zumindest außerhalb Österreichs! Dem donnerstags verstorbenen Tenor Luciano Pavarotti gaben heute in Modena fast 50.000 Menschen das letzte Geleit – und die RAI übertrug live. Der ORF übertrug ebenfalls live, allerdings den Heiligen Bayern aus Mariazell – wohin sich 30.000 Menschen verirrt hatten.

Erstens: das ist eine gewisse Genugtuung. 5 zu 3 für die Kunst! Und es werden gewiss auch mehr Menschen RAI geguckt haben als ORF, wenn auch nur, weil Italien etliches mehr Einwohner hat als Österreich.

Zweitens: was ein Pavarotti der Welt zu geben vermochte, wiegt mehr, als was irgendeiner der Päpste hergibt, und sei es das gesamte Vermögen seiner Kirche.

Diesem Papst sagt man nach, er sei ein Denker, jedenfalls im Gegensatz zum eher mediengeilen Alten Polen. Angeblich kommt ihm das Grauen, wenn er sich bei Audienzen mit ’stunzdummen‘ Prominenten abgeben muss. Keine Ahnung, woher irgendjemand das weiß. Ein philosophisch geschulter, von lichter Geistigkeit strahlender Papst sei er :

sein ganz auf den Wahrheitsdiskurs ausgerichteter Verstand fühlt sich am wohlsten im theologisch-philosophischen Dialog.

Nun ja. Die Wahrheit ist nicht auf Seiten der Kirche. Schon in Zeiten, als die Philosophie für ein paar Jahrhunderte die Magd der Theologie hieß, vermochte die Ausübung von Macht die Kirche nur vordergründig in den Besitz der Wahrheit zu setzen. Ein Diskurs über die Wahrheit findet nicht in irgendeinem Zusammenhang mit der Theologie statt. Das ist ein fundamentaler, wenn auch schon sehr alter, Irrtum!

Ein anderer etwa, dem man seine Meriten im Bereich der Philosophie, aber auch der Mathematik, nicht abstreiten wird wollen, Bertrand Russell, hat in seinem Buch Why I Am Not a Christian: And Other Essays on Religion and Related Subjects (auf deutsch derzeit leider nur antiquarisch erhältlich) die Sachlage eindeutig dargetan: die Frage der Wahrheit ist mit der Frage der Existenz Gottes insoferne verknüpft, als Gott es sich gefallen lassen muss, seine Existenz in die Wagschale der Wahrheitsprüfung gelegt zu sehen. Es gibt keinen nachvollziehbaren Beweis Gottes, der nicht auf die eine oder andere Art mit doppeltem Boden arbeitete.
Bertrand Russel - Why I Am Not a Christian
Die katholische Kirche hat zum Dogma erhoben, dass sich die Existenz Gottes durch die Vernunft beweisen lasse. Das ist nun – abgesehen davon, dass es ganz generell von fortgeschrittener Blödsinnigkeit oder von ausgeprägter Chuzpe zeugt – eine Vergewaltigung des Begriffs Vernunft. Und es ist zu nichts nutz. Ein solches Dogma versucht, die Debatte auf eine andere Ebene zu verschieben, erzeugt ein Denkverbot. Mit Philosophie hat das wenig zu tun. Mit einer Verbesserung der Welt – oder schlicht dem Guten in der Welt – auch nicht:

Einge gute Welt braucht Wissen, Güte, Mut; sie braucht keine schmerzliche Sehnsucht nach der Vergangenheit, keine Fesselung der freien Intelligenz duch Worte, die vor langer Zeit von unwissenden Männern gesprochen wurden.

Man muss sich also in die Niederungen des Glaubens hinab begeben, um des gesammelten Unsinns nicht irre zu werden. Auch eine Form von Verzweiflung. Es darf bitte ein jeder glauben, woran er glauben möchte – ein Wesen namens Großer Grüner Arkelanfall* wäre eine gute Gelegenheit, damit anzufangen. In privatim ist nämlich jeder Unsinn erlaubt, Logik ist schließlich nicht überall zwingend vorgeschrieben. In der Philosophie ist Unsinn jedoch definiert als etwas, worüber zu sprechen sich nicht lohnt. Hier ist ja schon auf Moritz Schlick und den Wiener Kreis hingewiesen worden: in seiner Vorlesung über die Probleme der Philosophie in ihrem Zusammenhang von 1933/34 kommt die Theologie nicht vor, und auch Gott nicht – es sei denn als Randbemerkung vor- oder außerphilosophischer Denkweisen. Gott hat es noch nicht einmal in das geschafft, was als Metaphysik in der realistischen Philosophie Ablehnung findet.

Da alles auf dieser Welt, ja in diesem Universum, auch ohne Gott ganz gut geht, ist es schwer vorstellbar, warum es ohne die Kirche nicht genausogut gehen sollte. Die Welt läßt sich von diesen Herrschaften ohnedies nicht beeindrucken. So gesehen, ist sie ja doch in Ordnung.

* Douglas Adams, Das Restaurant am Ende des Universums.

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