Ein Abend der Kontraste

Wieder mal im Großen Saal des Musikvereins: schon beim Hineingehen weiss ich, warum ich da ganz und gar nicht gern bin – der Konzerthaussaal ist mir allemal lieber. Von dem tonnenweisen Gold wird einem effektiv schlecht. Die Akustik ist eine Frage des Geldes – auf günstigen Plätzen eher nicht so toll – und auch die Sicht ist bisweilen sehr eingeschränkt. Mit etwas Glück ergattert man jedoch Restkarten, die beides in ausreichender Weise bieten. Das hatte ich ganz offensichtlich.

Es sind just wieder die Wiener Symphoniker, diesmal unter dem Dänen Thomas Dausgaard.

Das ist denn wohl auch die Erklärung, warum Carl Nielsen gespielt wird: Pan und Syrinx op. 49 ist eine nette Bagatelle für Orchester, viel mehr aber nicht.

Robert Schumann, vor exakt 200 Jahren geboren und deswegen in diesem Jahr zwangsläufig Dauergast in den Konzertsälen, schrieb ein kurzes, jedoch äußerst prägnantes Cellokonzert, hier gegeben von Gautier Capuçon. Der beherrscht das sehr kantable, nur stellenweise vordergründig virtuose Stück und zum Glück auch sich selbst, denn es lebt vom Geist Schumanns, der jeglicher Virtuosenanbiederung abhold war. Insbesondere die Zuordnung eines zweiten Solo-Chellos aus dem Orchester ist als klare Absage an die alleinige Inszenierung des Solisten zu verstehen.

Als erster Teil ist dieses Programm bis hierher recht kurz geraten.

Nach der Pause geben die Symphoniker zum Ausgleich die Symphonie Nr. 6 in D-Dur op. 60 von Antonín Dvorák, ein kraftvolles, von folkloristischer Frische kündendes Werk, in dem der Komponist seine Hinwendung zum Formen- und Melodienreichtum seiner Heimat endgültig vollzog. Zugleich erreicht Dvorák einen Höhepunkt der thematischen Feinarbeit – vor allem im Kopfsatz. Die bäuerlichen Melodien der Heimat dominieren das Scherzo im zweiten Satz, und eine prachtvolle Stretta beendet das Werk mit großer Geste.

Der Kontrast könnte nicht größer – und doch kaum besser gewählt – sein: hier Schumanns Ringen um die wahre, einfache, ursprünglich reine Musik, das stets hart an der Grenze zum Kitschigen und Kleinbürgerlichen verlief, eines Künstlers, der in der kleinen Form und Besetzung eher heimisch war und in der Orchestrierung keine Leuchte – und der Aufbruch eines mehr als talentierten, fertig gereiften Symphonikers von reinstem Schrot und Korn, der sich anschickt, das eigene Idiom zu ergründen.

Die Symphonie wurde 1880 ursprünglich für die Wiener Philharmoniker geschrieben, die es jedoch – kein wirkliches Ruhmesblatt in ihrer Geschichte – einfach ablehnten. Doch scheinen damals bereits die Nationalismen über die Universalität der Kunst triumphiert zu haben.

Die Symphoniker jedenfalls nehmen sich des Werks mit gebührender Spielfreude an, und das beschert einen mehr als befriedigenden Abend.

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