Ein Hauptspass in Murakamis nihilistischer Bäckerei

Der Japaner Haruki Murakami hat längst auch im deutschsprachigen Raum Kultstatus – was immer das heissen mag. Seine teils anarchisch-nihilistischen und dann wieder feinsinnig poetischen Romane und Kurzgeschichten – vorneweg Mister Aufziehvogel aus dem Jahre 1998 (dt.) – sind für uns Europäer vermutlich etwas ganz und gar anderes als für seine japanischen Zeitgenossen. Das einzige, was man hierzulande darüber weiss, ist: Murakami macht es der japanischen Literaturkritik exorbitant schwer.

In der unsrigen, die schon Importe wie Tom Robbins verdaut hat, stößt Murakami auf weniger Schwierigkeiten.

Dass allerdings zwei seiner skurrilen Kurzgeschichten als Basis für ein Libretto dienen können – nun, warum auch nicht. Yohanan Kaldi hat jedenfalls eins geschrieben auf Basis der beiden Geschichten Der Bäckereiüberfall und Der zweite Bäckereiüberfall. Reinhard Palm hat sie ins Deutsche übersetzt.

Die junge japanische Komponistin Misato Mochizuki setzt das absurde, anarchische Geschehen in – kaum passender zu nennende – Musik: Elemente nicht-angepasster Popkultur treffen auf elektronische Musik, Anklänge an Tan Dun’s Wassermusiken auf Wagner, ein Countertenor auf einen gestandenen Rap. Die E-Gitarre kollidiert mit einem tief gestimmten Männerchor – der obendrein für fast alle todernsten Hanswurstiaden auf der Bühne zuständig ist: in ihm wird sozusagen selbstironisches Schreiten zum ernster-unersteren Pendant des Ballettgehopses.

Es ist einfach ein Hauptspass. Ebenso chaotisch und rebellisch wie die Murakami’schen Handlungsabläufe wird auch die Musik gegen den Strich der modernen Oper gebürstet. Hier gibt es keinen Ernst, was aber längst nicht bedeutet, dass die Komponistin etwa ins Reich der operettenhaften Leichtig- und NIchtigkeit hinabgestiegen wäre…

In der Kürze des Werks – nicht mal eine Stunde dauert’s, leider – kommen vor: Schlaflosigkeit, enormer Hunger, ein Ehepaar, das nicht schlafen und nicht den Hunger stillen kann, eine alte Geschichte von einem jungendummen Bäckereiüberfall, sowie ein Bäcker, der Wagner hört und den Fluch der Götterdämmerung auf die Jungens überträgt, die seine Bäckerei heimsuchen, um dann in die Jetztzeit zu kippen, in der es aus nächtlichem Mangel an Bäckereien zu einem Überfall auf eine McDonald’s-Filiale kommt…

Mit dem Ensemble des Theaters Luzern kamen (vorwiegend) junge Sängerinnen und Sänger nach Wien, die es durchaus zu hören lohnte: die Hauptrollen von Miya und Kuni sangen Sumi Kittelberger und Hans-Jürg Rickenbacher, die auch ihre bisweilen recht schwierigen Passagen mit irgendwie spielerischer – oder gut gespielter? – Leichtigkeit über die Bühne brachten. Der Bass Boris Petronje, gleichfalls Ensemblemitglied in Luzern, lieferte eine gradiose Wagner-Parodie ab, die ich wohl nicht so schnell wieder vergessen werde – dermassen gut gelacht hab ich dabei, vor allem in Kombination mit den Herren vom Luzerner Chor, die in ständiger Bewegung ein echtes Bestiarium wagner’scher Figuren impersonisieren.

Als ein wahrer Schauspieler in seiner Rolle des Nachtmanagers bei McDonald’s brilliert der Counter Peter Kennel, der regelmäßig zwischen barocker und allerneuerster Oper wechselt, auch er ein wirklich komischer Charakter. Bemerkenswert, weil extravagant und stark im Ausdruck, auch der Bassbariton Marc.Olivier Oetterli als Chiko, die Gestalt aus der Vergangenheit.

Das Klangforum Wien – ohnedies bekannt für präzises Musizieren auch der schwierigsten Passagen der Neuen Musik – hatte wohl den ernsteren Part am Werk: unter dem Dirigat von Johannes Kalitzke liefern sie aber einen gewohnt souveränen Gesamteindruck.

Regie führte MIchael Scheidl – bekannt gerade in Wien als Teil des Duos netzzeit, das sich der Umsetzung von Theaterideen im Umfeld der neuen Musik verschrieben hat. Von ihm habe ich erst vor ein paar Tagen in der Volksoper Kehraus in St Stephan von Krenek gesehen. MIt fast genauso viel Spass.

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