Elendige Poesie

Karl Popper hat es irgendwann gereicht, dass man in den Sozialwissenschaften beständig behauptete, sie gehorchten vollkommen anderen wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten als die konkreten Naturwissenschaften, sodass sie methodisch auf ein anderes Arsenal zurück zu greifen hätten. Und er hat, zunächst als Vortrag, Das Elend des Historizismus geschrieben.

Sein Bemühen ging in erster Linie darum, Klarheit in ein Begriffsdickicht zu bringen. Denn hier werden gerne und oft Gesetze mit Trends, Zwangsläufigkeit mit Ursache und Prophezeihungen mit Prognosen verwechselt.

Nebenbei zielte das natürlich irgendwie auf den Marxismus, der Popper keineswegs geheuer war; aber es diskutiert ein viel grundlegenderes Problem: auch die Sozialwissenschaften haben ein Material, auch sie sind keineswegs frei von der Forderung, ihre Aussagen an diesem Material zu orientieren.

In Soziologie, Psychologie und auch der Pädagogik war es Mode geworden, Entwicklungen anzunehmen, Entwicklung im Sinne eines Fortschreitens vom Argen zum Besseren, eine Notwendigkeit im Sinne einer aus zwingenden Ursachen unausweichlich hervorgehenden, determinierten Veränderung, die aber wenig bis gar nicht geprüft wurden, weil man sich hübsch herausredete, dass man schließlich nicht alles und jedes, und schon gar nicht Gesellschaft, Psyche oder das Lernen, auf empirisches Material reduzieren könne.

So trat ein forsches Wollen und Behaupten an die Stelle des präzisen Fragens und offenen Argumentierens, die doch allein eine Suche nach Antworten befähigt, auch welche zu produzieren.

Karl Popper hat auch gegenüber diesen Wissenschaften darauf bestanden, dass sie sich an die wissenschaftliche Methodik zu halten hätten – und damit natürlich recht behalten. Alles anderes produziert allenfalls elendige Poesie.

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