Gespenstische Oper, verlorenes Drama

Wien scheint sich zu einem Kristallisationspunkt der Neuen Oper aufschwingen zu wollen – zumindest für den Februar: vor der Uraufführung der Medea des Berliners Aribert Reimann am 28. in der Staatsoper steht die Uraufführung der Oper Die Besessenen von Johannes Kalitzke am 19. im Theater an der Wien. Das gibt zum anderen einen spannenden Kompetenz-Wettbewerb zwischen den beiden Häusern.

Quasi als Auftakt gab die winzige Kammeroper Die Gespenstersonate von Aribert Reimann nach dem gleichnamigen Stück von August Strindberg. Das Furchtbare daran: die tragische Verstrickung der Figuren ist gesellschaftlich dermassen überholt, dass sie bestenfalls noch für Klamauk taugt. Immerhin aber hat die Regie diesen naheliegenden Ausweg nicht beschritten.

In Zeiten postmoderner Familienstrukturen lässt sich aus einer vor Jahrzehnten abspenstig gemachten Geliebten, einer untergeschobenen Tochter und der Anmassung von Adels- und militärischen Ehrentiteln kein dramtisches Süppchen mehr brauen. Auch der Direktor Hummel, der offenbar in irgendeiner Form alle anderen Personen auf dem Gewissen hat, ist heute kein Unikat mehr sondern eher die Personifizierung eines AWD-Beraters. Das Strindberg’sche Drama zielt heute nur noch ins gesellschaftliche Nirvana – vielleicht konnte man damit im Kompositionsjahr 1986 noch was anfangen… Das Gespenstische also ist die Oper selbst.

Musikalisch hat Aribert Reimann eine dichte Partitur vorgelegt, deren bestechendste Momente jedoch in den Zwischenspielen stecken, nicht in den allzu deklamatorischen Gesangspartien. Daher ist auch Dirigent Daniel Hoyem-Cavazza der Kern- und Angelpunkt der Aufführung.

Zu Stindberg passend – und genauso weit aus der Zeit heraus gefallen altbacken – haben Regie – Peter Pawlik -, Ausstattung – Cordelia Metthes – und Lichtdesign – Christian Weißkircher – eine vollkommern nichtssagende Umsetzung abgeliefert. Langweilig ist dabei noch ein Euphemismus.

Reimann benötigt für das kurze Werk – nach nicht mal eineinhalb Stunden ist der Spuk vorbei – eine erstaunlich lange Reihe an Darstellern, von denen die meisten auch mit zumindest ein paar Takten Singtext bedacht werden, doch bemerkenswert ist dabei kaum was oder wer.

Der junge Wiener Tenor Alexander Mayr als Student Arkenholz hat anfangs hörbar Schwierigkeiten mit der Intonation, liefert aber für der Rest der Partie eine passable Leistung ab. Durchgängig solide Bariton Hans Gröning als Direktor Hummel. Leicht verrückt und fas schon liebenswert Karin Goltz (Alt) als ‚die Mumie‘ Amalie, Frau des Obersten, der vom Briten Brian Galliford tenoral knapp gehalten dargestellt wird.

Die beiden jungen Frauen sind in dieser Oper noch das beste: die Münchner Mezzosopranistin Annette Schönmüller als dunkle Dame, Tochter eines Toten, und das Fräulein Adele, hervorragend gesungen von Cornelia Horak – die Sopranistin kenne ich aus Tan Dun’s Tea oder als Komponist in der Ariadne der Volksoper, zuletzt aber aus Monteverdis Coronazione di Poppea am Theater an der Wien.

Ferner sangen mit:

  • der Wiener Bariton Andreas Jankowitsch als Bengtson
  • Tenor Ted Schmitz als Diener Johansson
  • die Wiener Altistin Elisabeth Wolfbauer als Köchin

sowie eine Reihe stummer Rollen.

Schauen wir mal, ob die Medea in 14 Tagen mehr hergibt – oder Kalitzke’s Besessene nächste Woche…

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