Kleines Ensemble im großen Haus

Es ist ja schon ein Wenig spät in diesem Jahr, dem 225. Todesjahr des Opernreformators Christoph Willibald Gluck, als dass so plötzlich allerorten seine Werke auf die Spielpläne zu kommen brauchten – nun, gut ist es allemal, nachgerade in einem Haus wie der Staatsoper, wo man sich schon seit langem vor allem zu fürchten scheint, was vor dem späten Mozart entstand. Dabei war gerade Gluck zu Lebzeiten einer der wichtigen Komponisten der Wiener Hofoper, von hier aus ging er in die Offensive gegen die althergebrachte italienische und die erstarrte französische Oper, selbst wenn der wahre Kampf dann in Paris ausgefochten wurde.

Mit der Alceste – basierend auf der antiken Tragödie Alkestis des Euripides – bringt man im Haus am Ring die reinste der sogenannten Reformopern Glucks wieder einmal auf die Bühne. Nun ist ja iaus seiner Zeit begriffen Glucks Unterfangen ein zutiefst modernes, allerdings haben wir heutigen meist eher alles von Verdi und Pucchini gehört, eher wir auf ihn stoßen, der die sich festlaufende Kunst der Oper erst wieder soweit flott gekriegt hat, dass sie die nächsten beiden Jahrhunderte blendend zu entwickeln vermochte. Aus diesem Blickwinkel aber ist Glucks Schaffen eher ein Schmankerl für den Feinschmecker denn der große Wurf für die Bühne – schon gar für die eines Repertoire- und Ensemblebetriebs wie der Staatsoper.

Das wird zum ersten schmerzlich bewusst in der Riege der Universalsänger, die das Ensemble zu stellen hat, die aber stimmlich und gesangstechnisch nicht optimal in diesen Ausritt aus dem gewohnten Repertoire passen. Immerhin aber wurde in Veronique Gens eine erstklassige Interpretin des französischen Genres engagiert – und an diesem Abend ist sie exzellent bei Stimme! Dafür allein muss man dem Haus dankbar sein!

Auch ihr Partner Josepoh Kaiser als Admète ragt sanglich aus der Menge. Die beiden erzeugen Momente wahrhaftigen Bühnenzaubers, wie ihn der Komponist intendiert haben mag… Mitglieder des Ensembles, Plachetka und unterreiner allen voran, sind eher laut als gut.

vielleicht ist das der Größe des Raums geschuldet, klingt doch auch das Freiburger Barockorchester wegen zeittypisch dünner Besetzung klanglich etwas verloren im riesigen Haus. Mit dem Originalklang tun sich moderne Großopernhäuser nachvollziehbarerweise schwer – für sie ist das nicht komponiert worden, sie erfordern den Klangkörper der Romantik. So gesehen ist mir – auch weil es dort kein Ensemble gibt, das fortwährend zum Einsatz kommen muss – das Theater an der Wien lieber, wenn es um frühere Werke geht; doch dort wird bisweilen auch gemurkst, wie zuletzt bei der Iphigénie en Aulide des gleichen Komponisten.

Ist also der Klang nicht wirklich tragend, so entpuppt sich die szenische Umsetzung nachgerade als Gewimmel: Regisseur Christof Loy lässt den Chor geschäftig und beständig hin und her trippelnd die Bühne okkupieren. Angeblich sind’s die zahllosen Kinder des Paares: das Haus scheint voll, dauernd wir abgegangen und aufgetreten, darüber will jedoch dem Gustav Mahler Chor kein ganz überzeugendes Klangbild mehr gelingen. Obwohl doch der Chor eine der tragenden Säulen der Gluck’schen Tragödien wäre…

Ivor Bolton tut als musikalischer Leiter sein bestes, doch kann er sich gegen die Schwierigkeiten des Raumes wie der Bewegungsmanie nur selten durchsetzen. Immerhin dämpft er damit, wenn endlich mal das Getrappel und Getrampel auf der Bühne still steht, nicht noch zusätzlich die intensivsten Momente der beiden Protagonisten: so kann man inmitten dieser als misslungen zu bezeichnenden Inszenierung immerhin die besten Stellen von Frau Gens und Herrn Kaiser in Ruhe genießen.

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