Etwas leise, doch perfekt musiziert

Das Festival Resonanzen 2010 eröffnet dieses Jahr mit einem frühen Werk von Georg Friedrich Händel: sein Oratorium Il trionfo del tempo e del disinganno entstand 1707, nachdem der 23jährige Hamburger Cellist auf seiner Italienreise soeben in Rom eingetroffen war. Die Ideenvielfalt, die ihn später zum begehrtesten Komponisten seiner Zeit machen sollte, ist in diesem Oratorium bereits reichlich angelegt, jedoch atmen die Arien noch den reineren musikalischen Geist des Südens, erst später hat Händel seinen Sängern nachgegeben und unzählige Koloraturen eingebaut.

Ich liebe dieses Werk vor allen seinen Opern, eben weil es der jugendlichen Frische noch den Vortritt lässt vor atemberaubender Virtuosität. Welche Schöpfungskraft darin steckt, lässt sich insbesondere auch daran ermessen, dass Händel das Werk späterhin quasi als Steinbruch für seine in rascher Folge komponierten englischen Opern genutzt hat. Nicht weniges kommt einem daher bekannt vor, hat man eine Reihe seiner Opern vorher gehört…

Im Musikverein gastiert das dänische Originalklangensemble Concerto Copenhagen unter seinem Leiter Lars Ulrik Mortensen, der die auf die leisen Nuancen der Partitur gerichtete Prägnanz im Musizieren vom Cembalo aus dirigiert.

Leise leider auch die beiden Stars der Aufführung: Vivica Genaux als Piacere – wie üblich als leicht indisponiert angesagt, aber dann doch Herrin ihrer Stimme – und Sara Mingardo als Disinganno. Beide singen mit viel Ausdruck, hervorragender Phrasierung, doch durchgängig pianissimo. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die Schonung vor dem Werk geht.

Dass es nicht der zu grosse Grosse Saal ist, beweist die schwedische Sopranistin Maria Keohane mit ihrem brilliant gesungenen Part der Bellezza: trotz deutlich höherer Lautstärke mangelt es ihr nicht an Ausdruck, Sinnlichkeit oder Nuancierung. Sie hat sich hier hörbar durchgesetzt.

Der Vierte im Bunde, der Schweizer Tenor Jörg Dürmüller tritt neben der geballten weiblichen Sangeskraft naturgemäß etwas ins Hintertreffen, doch hat der Komponist die Rolle des Tempo nicht eben mit Bravourstücken überhäuft.

Erstaunlicherweise sitzt ein Teil des Wiener Publikums offenbar auf seinen Ohren, die Reihen lichten sich nach der Pause merklich. Dabei versäumt man im zweiten Teil justament die Arie ‚Lascia la spina‘ der Piacere – mit der es auch die zurückhaltende Vivica Genaux schafft, mir Tränen der Beglückung ins blanke Aug‘ zu treiben…

Nachtrag: von der zeitgleich gesendeten Übertragung auf Ö1 ist die Aufnahme geglückt. und siehe, für die Mikrofone im Saal haben die Damen gar nicht zu leise gesungen! Diese Aufnahme gesellt sich daher zu meiner Sammlung von Einspielungen unter Ronaldo Alessandini, Isabelle Haim und Marc Minkowski.

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