Mit Werthern am Kap der Guten Hoffnung

Kapstadt. Nun ist es ja hübsch, wenn man reisen darf, noch dazu in weite Ferne, noch dazu beruflich; noch hübscher, wenn es am Zielort eine Oper gibt: das muss man doch ausnutzen!

Cape Town an der Südspitze Afrikas verfügt über die einzige (und letzte) Opernkompagnie des schwarzen Kontinents. Und das versprach mit, ein Erlebnis besonderer Art zu werden – nicht zuletzt hatte ich in einer englisch-sprachigen Opernzeitschrift vor geraumer Zeit schon lobende Worte gelesen.

Der Besucher der Cape Town Opera ist in der beneidenswerten Lage, erstens recht billig für unsere Verhältnisse – die teuersten Plätze kommen auf 24 Euro – und zweitens nahezu jederzeit zu freien Plätzen der meisten Kategorien zu kommen. Das Pech ist nur, dass man dann nehmen muss, was grade auf dem Spielplan steht. In meinem Fall war’s Werther.

Dafür aber, dass ich mit dem alten Massenet nicht so die riesige Freude habe, kann aber weder er selber was noch sollte man die Opernhäuser dafür verantwortlich machen. Das Stück ist eine recht banale Verbiegung des geheimrätlich Goethe’schen Briefromans, die Musik nicht mein Fall.

Dennoch: nachdem in der ersten Szene ein paar Kinder sich auf der Bühne tummelten, die mehr nett als opernkonform sangen, was schon erste Zweifel ob der Sinnhaftigkeit des Besuchs erregte, trat aber die wunderbare Nokrismesi Skota als Schwester der Charlotte auf – und ich war hin und weg! Natürlich ist es immer eine Freude, wenn eine Sängerin nicht bloß singen kann, sondern auch noch hübsch anzusehen ist. Der Teppenwitz im Werther ist es dann aber, wie dieser sich auf Charlotten kapriziert – die wie üblich eine für die Rolle überwuzelte, überalterte Sopranistin ist -, während die weitaus schönere Schwester ihm vergebens nachläuft. Nun ja. Wer gern in die Oper geht, muss es sich zur unerschütterlichen Gewohnheit machen, nicht über sowas nachzudenken.

Gesungen aber hat die Charlotte Michelle Breedt, die häufig mit Brigitte Fassbender zusammenarbeitet und in Wien ihr Staatsoperndebut 2000 in der Carmen gab: natürlich auf internationalem Niveau, mit Werther Steven Harrison, der als ein Meister des französischen Repertoires gilt.

Sehr überraschend aber war, dass die lokalen Ensemblemitglieder, in der Mehrzahl Schwarze oder Farbige, auf absolut hörenswerten Niveau sangen! Ich muss ehrlich zugeben: hier wurde ein Vorurteil vorgeführt. Ich muss mich entschuldigen!

Kamal Khan hingegen vermochte am Pult nicht so sehr zu überzeugen; vieles deckte das Cape Philharmonic Orchestra mit etwas zu heftiger Verve zu, manches verspielte und verhaspelte es im Beiläufigen. Insbesondere der erste Akt ging hörbar daneben.

Bemerkenswert sind allerdings ein paar Randphänomene: so faksimiliert das Programmheft handschriftliche Briefstellen Werthers – in Englisch! Die Grafiker sind doch überall auf der Welt dieselben…

Und zweitens haben die Südafrikaner die Gewohnheit, während Sportereignissen, vor dem Fernseher – und natürlich auch in der Oper, wie könnte es anders sein – fortwährend ihren Biltong zu kauen, luftgetrocknete Streifen Fleisches, sowohl Wild als auch Rind sind sehr beliebt. Man sollte sich das Zeug gewiss nicht entgehen lassen, es ist kulinarisch durchaus wertvoller als Popcorn – allein, dass es sogar im Foyer verkauft wird, um dann während der Vorstellung mit einigem Rascheln zum Verzehr gebracht zu werden, ist doch recht unpassend. Genauso wie schamloses Zuspätkommen und Rausgehen – letzteres ist aber auch bei den Wiener Festwochen zu beklagen… Aber so ist das Leben in fremden Ländern, man muss das akzeptieren.

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2 Gedanken zu “Mit Werthern am Kap der Guten Hoffnung”