Nichts zu mäkeln – ein solider Boris aus Manhattan

Das Lobenswerte an den Live in HD-Übertragungen aus der New Yorker MET ist sicherlich, dass der Zuschauer sehr gemütlich in einem Kinofauteuil zu sitzen kommt, was angesichts der unbequemen und beengten Sitzreihen in den Opernhäusern dieser Welt schon ein Vorteil sui generis ist, und dass man wirklich viel zu schauen kriegt aus allernächster Nähe.

Insoferne muss ich mich endlich einmal den vielen Hinweisen auf das segensreiche Beitragen der Neubauer Family Foundation sowie des Global Corporate Sponsors Bloomberg von dieser Seite aus mit gebührendem Dank anschliessen – so much for that.

Aber natürlich sind da auch die Künstler, im Graben wie auf der Bühne, die für bleibende Erlebnisse sorgen. Immerhin wird live aus der Metropolitan Opera übertragen…

Heute steht der Boris Godunow des Tschaikowski-Zeitgenossen Modest Mussorgsky auf dem Spielplan. Die Geschichte vom mittelalterlichen Zaren Boris und seinem Mord am rechtmäßigen Zarewitsch, welcher einen jungen Mönch dazu anstiftet, sich als jener Zarewitsch auszugeben und den Umsturz anzuführen, ist alt und wurde von Alexander Puschkin in der Generation vor Mussorgski popularisiert. Wer ist in Zeiten fortwährender Umbrüche denn eigentlich der Usurpator?

Der deutsche Bass René Pape singt einen hervorragenden Boris, so brutal wie rücksichtslos, aber auch geplagt von seinem schlechten Gewissen und den Intrigen seiner Bojaren, in stiller Angst genauso präsent wie inmitten imperialen Gepränges. Sein Gegenspieler Grigori wird gesungen vom lettischen Tenor Aleksandrs Antonenko, schon stimmlich die lichtere Gestalt.

Die weibliche Hauptrolle der Marina, erst in der zweiten Fassung von 1872 überhaupt in die Oper eingeführt, da der eklatante Mangel an einer zentralen Frauenrolle den Erfolg des Werks zu gefährden schien, wird verkörpert von der russischen Mezzosopranistin Ekaterina Semenchuk. Ihr gelingt eine transparente Verkörperung der intriganten, karrieresüchtigen Verführerin, mit stolzen Höhen.

Alles natürlich ganz ordentlich und absolut auf dem Niveau einer Instution wie der MET gesungen. Das gilt auch für Jennifer Zetlan als Xenija, Mikhail Petrenko als Pimen und Jonathan A. Makepeace als Feodor.

Für Gastdirigent Valery Gergiev ist der Boris Godunow sozusagen Stammrepertoire – und vor allem aus den vielen auf Volksweisen beruhenden Passagen der Partitur scheint intime, tiefinnerste Kenntnis, ja Selbstverständlichkeit zu sprechen.

Brav und eher etwas bieder die Inszenzierung – Stephen Wadsworth – sowie die Ausstattung – Ferdinand Wögerbauer und Moidele Bickel. Da gibt es nichts zu mäkeln.

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