Mozart abgeschunkelt (Berlinische Reise 3)

Die Berliner Oper ist ausgeflogen: genaugenommen weilt die Staatsoper Unter den Linden zum Gastspiel in China, die Deutsche Oper hat ihre Saison noch nicht wirklich aufgenommen, Spielauftakt ist am 13. Oktober. Dass dabei der Staats- oder der Stadtsäckel nervös werden, ist irgendwie nachvollziehbar: Berlin leistet sich drei nennenswerte Opernhäuser, um deren finanzielle Ausstattung es darob nicht wirklich gut bestellt zu sein scheint – aber auch nicht (flächendeckend) um Qualität der Aufführungen oder des Publikums – siehe
Aber die Komische Oper hat vorgestern ihre neue Saison eröffnet, mit der Fledermaus. Gestern gaben sie den Don Giovanni, also tat ich mir das an, obgleich die Aufführung in deutscher Sprache angedroht war. Ganz so kam es aber denn doch nicht.
Karolina Andersson, die zunächst für die Rolle der Zerlina krankheitsbedingt ausgefallen war, sprang ein, da ihre Ersatzfrau ebenfalls kurzfristig erkrankte – allerdings nur spielend, gesungen hat die Partie Christiane Hossfeld von der Seite. Zur Krönung sang zusätzlich diese Zerlina italienisch, während alles andere deutsch blieb.
Dieser wegen seiner besetzungstechnischen Rarität zumindest interessante Aspekt förderte jedoch eine ganz wesentliche Schwachstelle dieses Don Giovanni zutage: er klänge italienisch wirklich besser. Das soll noch nicht einmal den Sängern angelastet werden, das ist zweifellos ein Problem der Sprache. Aber wer geht schon – wird man sich fragen – in die Komische Oper, oder geht man in Wien für einen Mozart in die Volksoper? Klare Antwort: nein.
Dem Mangel an Programmalternativen war’s geschuldet, das gebe ich zu. Und das ganze Unterfangen hatte musikalisch – abgesehen von den beständigen Wehmutstropen der Sprache – auch eher den leichten, luftigen, aber halt doch unpassend französischen Esprit von Offenbach, den man an diesem Haus vielleicht grandios zu geben versteht – ich weiß es nicht -, als die augenzwinkernde Souveränität eines Mozart. Es wollte nicht so recht wie ein ernsthafter Don Giovanni klingen.
Aber schon während der Ouverture bescherte Regisseur Peter Konwitschny, der doch wahrlich schon Großes geleistet hat, eine wenig geistvolle Überraschung: ein Buberl mit Perücke, beim Spiel des Klavizimbels (in stummer Szene) ward von einem krummbuckligen Puderzopf mit Gehstock malträtiert – also eine Anspielung mit dem Holzhammer auf den jugendlichen Freigeist Mozart und seinen gestrengen Vater, als wär’ der Don Giovanni eine Abrechnung des 30-jährigen Komponisten mit seinem alten Herrn. Dass diesen Zusammenhang Herr Konwitschny in seinem selbstgegebenen Interview im Programmheft expressis verbis dementiert, erspart ihm aber nicht die Frage, warum er’s dann nicht sein hat lassen.
Im zweiten Akt unterbricht er aus gleichen Motiven die Arie Il mio tesoro des Don Ottavio – etwas verkaspert, auch musikalisch nicht auf der Höhe: Thomas Ebenstein – ziemlich unsanft, um das halb-dramatische auswendige Herdeklamieren eines mozartschen Vater-Briefs einzustreuen. Also was nun? Die Worte Wolfgang Amadeus’ in Ehren – er hat sie nicht an diese Stelle gesetzt! Das Unterbrechen einer Arie mag zwar provokativ sein, ist aber immer eine unpassende Aktion.
Das Ensemble mühte sich redlich, allein man schien – aber wahrscheinlich auch das Konzept der Regie – den vortägigen Strauss noch in den Knochen zu haben. Das Ergebnis fiel, gerade wegen viel Unterwäsche und fortwährendem, nicht immer situativ nachvollziehbarem Aus- und Ankleiden ziemlich operettenhaft aus. Musikalisch bei Offenbach, dramatisch höchst fidel bei Strauss – ein veritabler Murks, wenn man in Rechnung stellt, dass der Komponist denn doch Mozart hieß.
Christiane Hossfeld von der Dresdner Semperoper stach aus dem Tohuwabohu in lichte Höhe hervor, auch Anne Bolstad als Donna Elvira mochte sich sehen und hören lassen. Der Rest mag vielleicht komisch gemeint gewesen sein, wie der Name des Hauses suggeriert, war es aber höchstens in dem Nebensinne des Wortes, das eher die Konnotation seltsam führt.
Natürlich: Mozart ist keine bierernste Sache. Der Don Giovanni ist eine Dramma giocoso – ein scherzhaftes Drama. Und das grenzt sich doch eigentlich ganz von selber gegen das Kalauernde ab. Denn nur weil im Don Giovanni ein reicher Reigen allseits bekannter Melodien prangt, muss man sie ja nicht gleich in volksfesthafter Manier abschunkeln.

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