Konsequent starker Tobak

Die Diskussion ist ja in Historikerkreisen – zumindest ausserhalb der sogenannten etablierten Islamwissenschaft – inzwischen flächendeckend: nicht alles, was bislang als Geschichte des Islam galt, ist im Sinne historischer Wahrhaftigkeit auch haltbar.

Dabei sollte es nicht in erster Linie darum gehen, einer Religionsgemeinschaft ihren Propheten weg zu debattieren. Wenngleich das vermutlich das Ergebnis ist, denn das kommt fast immer heraus, wenn mythologisches Material wissenschaftlicher Prüfung unterzogen wird; insoferne braucht das auf Seiten des Glaubens genauso wenig zu ändern wie die verschiedenen Überprüfungen biblischer Geschichten. Ob es den historischen Jesus oder Mohammed nun gegeben hat oder nicht, ist für die Glaubensinhalte letztendlich einerlei. Muslime scheinen das jedoch als Frontalangriff zu verstehen, und so provoziert das natürlich auch Angreifer, die genau das bezwecken.

Zunächst konstatiert auch Nor5bert G. Pressburg (ein Pseudonym) im Buch Good Bye Mohammed: Das neue Bild des Islam die historisch-wissenschaftliche Unhaltbarkeit der traditionellen islamischen Geschichtsschreibung. Dass bei zwei Jahrhunderten mündlicher Überlieferung keine Verdrehungen und Veränderungen aufgetreten sein sollen, glaubt eigentlich fast niemand mehr, der/die nicht zufällig Islamwissenschafter/in ist.

Rein gar nichts von dem, was in der traditionellen Geschichtsschreibung von Mohammed, den ersten Kalifen und der Eroberung der halben Welt durch den Islam berichtet wird, findet in ebendieser eroberten Welt einen Niederschlag: byzantinische Historiker, die doch ausführliche Aufzeichnungen hinterlassen haben, erwähnen all das mit keinem Wort. Die in der historischen Wissenschaft unabdinglichen Realbeweise in Form archäologischer und numismatischer Spuren fehlen gänzlich. Manche Inschriften, die bislang als Belege herangezogen wurden, lassen sich leicht und mit zumindest gleicher Wahrscheinlichkeit anders deuten.

So weit kann man dem Autor folgen: es ist davon auszugehen, dass es der Person des Propheten an Historizität mangelt. Auch passt vieles, was aus seiner Lebenswelt berichtet wird, nicht in die behauptete Zeit sondern eher in die Zeit der Verschriftlichung der Überleiferung rund zweihundert Jahre später. Dass es sich ferner beim Islam weniger um eine neue Religionsschöpfung handelt sondern um eine Abspaltung aus dem östlichen Christentum, scheint sich bei genauerem Hinsehen zu bestätigen.

Das bringt vermutlich islamische Prediger zum Rasen, ist aber keine große Sache. Wir haben inzwischen eine hinreichend gute Vorstellung davon, wie Religion funktioniert, als dass uns das alles noch wundern müsste.

Stärkeren Tobak aber qualmt der Autor in der weiteren Folge: die islamische Eroberung bis hin ins ferne Spanien deutet er als Ausbreitung einer alternativen christlichen Glaubensvariante. Dass christliche Lehren untereinander bitter verfeindet sein können, ist auch nicht neu, dass dabei Gewalt hin bis zu ausgreifenden Eroberungszügen zum Einsatz kommen, auch nicht. Man muss sagen: das ist zumindest konsequent gedacht, wenn es auch wirklich starker Tobak sein mag.

Hier gilt es eine kritische Stimme zu vernehmen, die sich nicht hinter den zahllosen Wenns und Abers einer wissenschaftlichen Community mit ihren verkrusteten Strukturen versteckt – daher wohl auch das Pseudonym -, ein Ausblick sozusagen in ein Forschungsvorhaben. Aber genau das ist es: viele Bereiche der europäischen Geschichtsschreibung harren einer Überprüfung. Es wird lohnen festzustellen, wann genau und wie sich eine christliche Loslösung in eine neue Religion verwandet hat. Das ist eine Frage der Geschichte und hat mit der Religion selbst nichts zu tun.

Dann wird genau zu fragen sein, welche Teile der europäischen Geschichte zu prüfen und vielleicht sogar neu zu schreiben sind. Momentan kann man in fast allen Werken noch immer das unkritische Referieren der islamischen Überlieferung lesen – und die stimmt zumindest im Kern garantiert nicht. Vermutlich muss dabei sehr viel frischer Blut in die sogenannten Islamwissenschaften gepumpt werden – und das lässt darauf schließen, dass es da noch zu etlichem Krach und Krawall kommen wird. Spannend wird aber, was schlussendlich dabei herauskommt.

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