Pendatchanska dolcissima!

Die bulgarische Sopranistin Alexandrina Pendatchanska ist nicht nur bildhübsch – da kann sie es locker mit der Netrebko aufnehmen – sondern auch stimmgewaltig. In der Agrippina von Georg Friedrich Händel stellt sie eine wunderbar intrigante Kaiserin auf die Bühne, wiewohl das Werk im Theater an der Wien nur konzertant gegeben wird.

Mit Händel ist es so ein Leiden: wunderbare Musik, vielfältige Ideen – wer Ohren hat zu hören, dem wird nicht entgehen, wie wenig Händel dem Klischee der starren Barockoper entspricht, ja diesem geradezu entflieht. Trotzdem bleibt der Eindruck eines aufgesetzten, wenn auch handwerklich perfekten, Virtuosentums, das jede freie Äusserung erschlägt. Es gibt in jeder seiner Opern den Punkt, an dem es sich bis zur Langeweile tot läuft. In jeder Oper schafft Händel es aber auch wieder, diesen Punkt zu überwinden und alles zu einem glänzenden Ende zu führen.

Das heisst vermutlich, dem Genius Händel unrecht tun, der in seiner Epoche nicht von ungefähr ein nicht bloß bejubelter Komponist, sondern auch ökonomisch auf eigenen Beinen stehender Musikunternehmer war. Man darf ruhig annehmen, dass sich dieser Erfolg den durchaus publikumstauglichen Qualitäten seiner Opern verdankt. Auch wenn wir das heute nicht mehr ganz verstehen. Zum ersten mangelt uns das Sitzfleisch – trotz Wagner.

Der Vorwurf, wir verstünden die Oper des Barock nicht, ist vermutlich berechtigt. Im Hinblick auf die Musizierpraxis hat das Bemühen um mehr Authentizität bewundernswerte Früchte getragen – Il Complesso Barocco, das von Alan Curtis begründete Ensemble für barocke und vor-romantische Musik, liefern den hörbaren Beweis. Auch wenn es manchen Kritikern nicht passt, so hat es einen guten Grund, warum sich jede Bemühung um barockes Musikgut derzeit Curtis als Messlatte gefallen lassen muss: der transparente, luzide Klang, die vom Symphonischen merklich abweichende Intonation, die belebende Dynamik und das nötigenfalls aus diesen wenigen Instrumenten abrufbare Volumen sind einzigartig.

So ist auch der Klang an diesem Abend – neben Alexandrina Pendatchanska und Umberto Chiummo (Claudio), die aus der Sängerriege herausragen – das eigentliche Highlight. Man hört gar nicht mehr, dass sich da im Grunde nur ein endloses Band von perlenden Rezitativen und hochgeschraubten Arien abspult.

Wohl: Händel stattet viele seiner Arien mit exquisiten musikalischen Einfällen aus; umgekehrt geizt er mit Zwischenspielen und hat den Chor ganz und gar gestrichen. Das macht aus einer Oper eine Kette virtuoser Gesangsdarbietungen; schon gar, wenn sie obendrein nicht szenisch stattfindet.

Ein musikalisch schöner Abend dankt sich aber auch – neben dem Orchester als eigentlichem Star – dem weiteren Sängerensemble:

  • Tuva Semmingsem als Nerone
  • Klara Ek als Poppea – ein Bisschen zu geschliffen
  • Iestyn Davis als Ottone
  • Raffaele Costantini als Pallante
  • Antonio Giovannini als Narciso
  • Metteo Ferrara als Lesbo
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