Philharmonische Abwanderung

Endlich waren auch die Wiener Philharmoniker dran mit ihrem Pflichtbeitrag außerhalb des Festivals Wien Modern für Neue Musik, es dirigierte Jonathan Nott.

Mit diesem Konzert ist nun auch meine Frage beantwortet, warum es Modernes, Gegenwärtiges immer nur im Kombipack mit Bewärtem gibt: das Publikum verließ in der Pause in Scharen die Veranstaltung, die Reihen präsentierten sich im zweiten Teil stark gelichtet. Das mag daran gelegen haben, dass das Konzeert im Rahmen eines Zyklus Orchester international stattfand, wo es sonst zwar leicht Modernes, aber nicht wirklich Gegenwärtiges zu hören gibt.

Begonnen wurde mit einem Glanzstück von Luciano Berio, der Sinfonia (für 8 Stimmen und Orchester), ein Patchwork schnell wechselnder Zitate und eigenständiger Klangfetzen: im ersten Teil dominiert ein Text von Claude Levy-Strauss über Struktur und Symbolismus von Mythen, im zweiten Teil formt sich aus den 8 Stimmen allmählich der Name Martin Luther-King; im dritten Teil kommen Fragmente von Samuel Beckett zum Vortrag, im vierten werden Fetzen aus den vorangegangen Teilen recycelt (samt einem kurzen Zitat aus Mahlers Zweiter), um endlich im letzten Teil – anhand von Levy-Strauss‘ Le cru et le cuit – in einen narrativen Zusammenhang überführt zu werden. So ähnlich klingt das Ganze auch – schelmisch, vielschichtig, schnell, komplex, aber aufregend!

Danach wurde mit dem Cellisten Truls Mork das Konzert für Violoncello und Orchester von Georg Friedrich Haas aufgeführt, ein typisch ereignisarmes Werk, das vor allem im ersten Teil – trotz blendend interpretierter, nicht gerade einfacher Kadenzen im Solopart von Trusl Mork – eher nach einer Themenverfehlung klingen wollte: wie bei Instrumentalkonzerten gern geübt, stellt Haas auch hier das Soloinstrument fast zusammenhanglos in einem zweiten Monolog neben den des Orchesters. Aber das wird dann noch.

Nach der Pause Witold Lutoslawski: Concerto for Orchestra – da haben sich die entnervten Musikkonsumenten eindeutig zu früh aus dem Staub gemacht. Ein wunderbares, gar nicht anstrengendes Stück moderner Musik – immerhin anfang der 50er Jahre komponiert – hätten sie da zu Gehör gebracht bekommen.

Bei der Programmierung wurde lediglich die kleine Tatsache mißachtet, dass das Wiener Zyklenpublikum mit dem Namen Lutoslawski nichts anzufangen weiss…

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