Rares Theater am Volkstheater

Zur Abwechslung wieder mal Theater: hatte ich vor etlichen Jahren, als die Ära Schottenberg noch jung war, auf eine Verlängerung meines Abonnements am Volkstheater verzichtet, weil vor allem die Auswahl der Stücke immer seltsamer wurde. Und auf der Basis hinreichender Anziehungskraft des Spielplans kommt es eben nur noch sehr selten zum Besuch einer Vorstellung. Das Volkstheater befindet sich zweifelsohne in einer veritablen Krise.

Nun aber hat man ein Stück angesetzt, mit dem mich – sowohl vom Stoff her als auch seiner konkreten Ausgestaltung – ein langjähriges Interesse verbindet: die Antigone des Sophokles, einen der zentralen Stoffe des klassischen griechischen Tragödienrepertoires.

Wohltuend ist zunächst einmal die Absenz jeglicher Sperenzchen und hanebüchener Interpretationen seitens der Regie von Stephan Müller. Die von Dramaturg Hajo Kurzenberger und dem Regisseur erstellte Übersetzung und Fassung ist in Duktus und Vokabular modern, jedoch frei von Zeitgeist und übertriebener Gegenwartsanbiederung.

So steht ein Stück auf der Bühne, in dem bis auf einige Auf- und Abgänge, die nicht immer ganz passend motiviert erscheinen, das Wort dominiert – in seiner ganzen Gewalt und auch Musikalität.

Bühne – Hyun Chu – wie Kostümierung – Birgit Hutter – verorten die Handlung in einer nicht näher definierbaren und daher gleichfalls vor deuterischer Überfrachtung sicheren Gegenwart, die martialische Charakterzüge trägt, aber ansonsten fast überall und zu jeder Zeit dieser Gegenwart spielen könnte.

Der Chor – unter Chorführer Thomas Kamper – geriert sich martialisch, passend zum Despoten Kreon, der von Günter Franzmeier mit wenig Verstellung und Übertreibung verkörpert wird. Auch seine Definition erfolgt in erster Linie über das, was er zu sagen hat.

Zu sprechen im besten theatralischen Sinn des Wortes haben auch Antigone Andrea Wenzl, die sich hier wirklich in Hochform zeigt, und ihre Schwester Ismene, gesprochen von Nanette Waidmann.

Wüsste man nicht, dass solche karikaturhaften Überzeichnungen auch in der Antike zum Repertoire gehörten, man empfände eventuell die auf lustig gemachte, fast kabaretthafte Zeichnung des Boten durch Dominik Warta als störend – erzeugt sie doch die wenigen Lacher des Abends. Jedoch erweist sich, dass diese Lacher den Abstand zur Tragödie nur noch krasser machen – und ihnen damit eine Funktion nicht abgesprochen werden kann.

Auch der blinde Seher Teiresias, von Rainer Frieb in deutlicher Anlehnung an den alternden Jack Nicholson angelegt, regt zunächst zu Widerspruch an, verkörpert aber doch nur die folgerichtige böse Ironie des Schicksals, welches im Anschluss der berichteten Taten mit voller Wucht das Haus des Kreon trifft.

Zu erwähnen sicher auch noch Patrick O. Beck – der mit wenig Text versehene Haimon – und Raphael von Bargen, der Wächter.

Ganz und gar daneben angelegt war nur die Eurydike. In der gespielten Fassung hat sie nichts zu sagen, aber deswegen passt es keineswegs in Konzept, diese vielschichtige Figur als kurzen Auftritt einer ins Clowneske überzeichneten Marionette zu steigern. Claudia Sabitzer musste sich mit dieser einfach nur blöden Idee der Regie blamieren.

Insgesamt aber bietet das Volkstheater mit dieser Antigone klassiches Theater, das frei von den ansonsten hier im Hause überhand nehmenden Revue-Allüren bleibt und allein vom mächtigen Wort – das offensichtlich nicht einmal mittels einer selbstgestrickten Übersetzung zu meucheln war – getragen wird.

Man könnte mit der philosophischen Betrachtung abschließen, dass der Körper des Theaters aus guten Stücken besteht – und die Hereinnahme von Dramatisierungen irgendwelcher Leinwandschinken oder der Output noch so talentierter Jungautoren nur ganz wenig bleibend Brauchbares ergibt. Letzteres war wohl zu allen Zeiten so, denn unser Fundus an erprobten Stücken ist auch über die Jahrtausende nicht unendlich angewachsen. Und es sind doch immer wieder die erbaulichen Momente des Theaters, wenn solches erfolgreich umgesetzt wird, egal wie alt es ist.

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