Ein notorischer Sir John

Sir John Falstaff ist ein notorischer Tunichtgut und Ambrogio Maestri ist ein ebenso notorischer Sir John. Er war in dieser Rolle natürlich auch schon an der Scala zu sehen, und zwar 2001 unter Riccardo Muti, 2004 an der Wiener Staatsoper – und bald wieder (im Jänner 2014) dann in Sao Paulo. Diesmal Live in HD aus der MET am 14. Dezember 2013.

Ambrogio Maestri
Ambrogio Maestri

Der Mann ist abonniert auf den Falstaff. Die New Yorker MET hat ihn für ihre neue Produktion des Spiels vom alternden Hallodri eingeladen – und er spielt Sir John und sich wie gewohnt dezidiert komisch. Regisseur Robert Carsen scheint der Spielwucht des Italiensers mit dem Hang zum Britendarsteller schon gleich gar nichts entgegen setzen zu wollen: die Inszenierung lässt ihn gewähren – was durchaus die erwünschten komischen Momente zeitigt, aber eben auch zur Verwechslung mit dutzenden anderen Impersonationen einlädt, die allesamt derselbe Ambrogio Maestri zu verantworten hat. Gut, man kann sich dabei bestens amüsieren.

Kostümbildnerin Brigitte Reiffenstuel stattet diesen Sir John mit mächtiger, aber fleckiger Unterwäsche aus, die ihn gleich von Anfang an sympathisch macht. Darin agiert der füllige Bariton mit erstaunlicher Verve. Gesanglich gibt es nichts zu meckern, seine Rolle kennt und beherrscht der Mann.

Erfreulich ist, dass mit diesem Falstaff von Giuseppe Verdi der Chefdirigent des Hauses, James Levine, wieder mal ans Pult zurück kehrt. Die eingestreuten Dokumentationen und Gespräche weisen ihn leider als ernsthaft kranken Mann aus. Der Arbeit an diesem Stück geschliffener Komik (MET Video) hat das allerdings keineswegs geschadet: insbesondere seine Arbeit an den quirligen Ensembleszenen der Damen – Angela Meade als Alice, die gewichtige Stephanie Blythe als Mrs. Quickly und Jennifer Johnson Cano als Meg Page – weist ihn als erstrangigen Könner auch im scheinbar leichten Metier aus. Die Staccati sitzen perfekt, die Verschlingungen und Entrüstungen entfalten sich mit Grandezza.

Das Liebenspaar Nannetta und Fenton ist mit Lisetta Oropesa und Paolo Fanale passabel besetzt, allerdings verdecken Eifer und Liebesrausch die eine oder andere Unsicherheit auf beiden Seiten.

Wirklich ein Charakterkopf ist hingegen Christian Van Horn als Pistola, ein wahrer Galgenvogel, ihm zur Seite nicht minder kriminell Keith Jameson als Bardolfo.

Die Bühnengestaltung von Paul Steinberg ist ähnlich ideenlos wie die Regie. Das garantiert allerdings für großen Erfolg. Und der Verdi hält’s aus…

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