Brünhildendämmerung

Nach Walküre und Siegfried ließ Deborah Voigt als Brünhilde für die Götterdämmerung wenig Gutes erwarten, kämpft sie doch merklich mit den Höhen und beherrscht stellenweise nicht ihren Text, von arg undeutlicher Artikulation gar nicht zu reden. Amerikanisch klingt so manche(r) in diesem Ring, doch so schlecht wie Deborah Voigt eigentlich sonst niemand. Umso positiver dann die Überraschung, dass sie sich zumindest gesanglich zu den Höhen der Partitur aufzuschwingen vermag – beim Text liegt’s allerdings weiterhin im Argen.

So endet dieser monumentale Ring aus der New Yorker MET wie er begonnen und sich durch seine vorherigen drei Teile zog: das technische Wunderwerk The Machine beeindruckt als kongeniale Ergänzung der musikalischen Maschinerie von Richard Wagner, wiederum als Bühnenbild und Videoprojektion in einem, obwohl insbesondere die ornamentalen Effekte von ersten Gewöhnungs- und Ermüdungserscheinungen getrübt werden. Es gelingen dennoch einzelne wahrhaft atemberaubende Momente fliegend leichter Technik. Dieser Ring hat damit seinen Abschluss erreicht, aber auch den Beweis seiner Gültigkeit erbracht. Es wird – nachgerade am Vorabend des Wagner-Gedenkjahres – noch eine Menge mehr Ringe zu sehen geben, die diesem nicht das Wasser zu reichen vermögen.

Dirigent Fabio Luisi setzt sein Programm der Entdeutschung Wagners fort, was diesem tatsächlich gut tut: das betonen Schwere muss nicht sein, das Orchester der Metropolitan Opera erweist sich als flexibler, präziser Klangkörper, der nicht nur das wogende Presto sondern auch die lyrischen Kantilenen beherrscht. Insbesondere im Blech verfügt es über ausnehmende Präzision und motivisches Fingerspitzengefühl.

Zwei Leistungen sind gesondert hervor zu heben: die nicht eben mehr ganz junge Waltraut Meier singt eine fulminante Waltraute, indem sie die andeutungsweise Brüchigkeit ihrer Stimme in den Tiefen geschickt als Erschütterung vor der in Götterferne selbstsüchtig gewordenen Brünhilde umdeutet. Das trägt wunderbarerweise zur Steigerung der Authentizität ihrer Interpretation bei.

Hühnenhaft von Statur und vollumfänglich an Stimme donnert der deutsche Bass Hans-Peter König seinen intriganten Hagen: da ist wenig Perfidie in der brutal direkten Verfolgung seiner Ziele, da braucht es nicht List noch Tücke, ihm glaubt man den selbstlosen Ratschlag, der doch ihm selbst die Macht des Rings in die Hände spielen soll. Dabei bleibt alles Dämonische ausgespart, er handelt nicht aus eigenem Antrieb, sein Motor ist der Fortschritt dieses Untergangs, der doch in der Götterwelt stattfindet und der Sterblichen lediglich zu seiner Vollendung bedarf.

Gesanglich sicher, wenn auch in der Rolle des unsicheren Gunther, prägt Iain Paterson den Stellvertreter des normalen Menschentums in dieser zugespitzten Heldensage: er ist nicht Wurmtöter noch maulgeläufiger Held, das alles ist ihm um den entscheidenden Schuh zu groß. Das macht ihn sympathisch.

Den Großtuer Siegfried gibt neuerlich der erst jüngst entdeckte Jay Hunter Morris, dem man den jugendlichen Schlagetot so freudig glaubt wie man ihm im selben Atemzug abkauft, dass er die Brünhilde schon beinah vergessen hat, ehe er noch recht der Gutrune ansichtig ward. Die Belastung der ausdauernden Partitur wird im zweiten Akt ein klein Wenig hörbar, doch bezwingt er sich wieder und liefert insgesamt eine beachtliche Leistung ab.

Die durch Zaubertrank auf einmal von ihm angebetete Gutrune verkörpert eine glaubhaft hübsche Wendy Bryn Harmer, die obendrein noch das Wenige zwar recht hinreißend singt.

Weniger gelungen die Trios, drei eher maue Nornen zu beginn, drei allzu krabbelige Rheintöchter am Ende: singen die ersten steif und bar jeder Inspiration, so verkrabbeln letzere ihre durchaus quirlig gemeinten Passagen mit etwas zu viel Turnerei. Auf der anderen Seite ist man auch nicht froh, wenn aus primärer Rücksicht auf den Gesang nur noch Stehpartien gegeben werden… insoferne ist ihnen mit Nachsicht zu begegnen: sie machen es ganz allerliebst, und das ist schließlich in einer Wagner’schen Opernwelt, in der normalerweise vermeintliche Schönheit durch überbordende Fettleibigkeit konterkariert wird, auch etwas – und gar nicht zu wenig! – wert.

Nach dem Durchgang in der Live in HD-Serie wird man ja hoffentlich bald sehen, wie lange die Veröffentlichung auf BlueRay-Discs nun noch auf sich warten lässt. Regisseur Robert Lepage hat sich auf jeden Fall seinen Platz im Regal erkämpft.

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