Vom Rezitativ ’senza battuta‘

Eine Perle der frühen Barockoper streuen Christophe Rousset und sein Ensemble Les Talens Lyriques unter die Reihe der Aufführungen von Monteverdis Ulisse im Theater an der Wien.

Francesco Cavalli komponierte La Calisto 1651 für Venedig. Die Handlung entstammt der griechischen Mythologie, wenn auch die Götter unter ihren lateinischen Namen auftreten, und ist nicht weiter bemerkenswert, das übliche Durcheinander von im Kreis um Verliebten. Zu herausragender Musik gibt das Libretto aber allemal Anlass. Und entgegen der sparsameren Ausgestaltung der bürgerlichen Oper Venedigs, die sich den Pomp ihrer höfischen Schwester nicht leisten konnte, vermochte gerade Cavalli die Vielfalt und den Formenreichtum in eine breit gefächerte Vokalität umzusetzen.

Im Gegensatz zu seinem Lehrer Monteverdi schrieb Cavalli bereits geschlossene Arien für seine Protagonisten, behielt jedoch den expressiven Stil der Rezitative bei – weswegen er noch zu Lebzeiten zu den Alten gezählt wurde, als der Opernstil sich weiter entwickelt hatte. Dem Erfolg seiner zahlreichen Opern tat das allerdings kaum Abbruch. Auch heute ist allein die Wirkung der Musik phänomenal – was doch den Wunsch weckt, auch eine Inszenierung zu erleben.

In der Interpretation gibt es aber erhebliche Auffassungsunterschiede zwischen René Jacobs, der eher ‚auf Taktschlag‘ – a battuta – singen lässt, und der puristischeren hirstorisch getreueren Auffassung, die auch Rousset vertritt, dass der recitar cantando genannte Stil vielmehr senza battuta gesungen werden sollte, um die sprachgetreue Deklamation besser zu Geltung zu bringen. Leider kann man sich auf Tonträgern von der zweiten Anschauung nicht hinreichend überzeugen, es ist eigentlich nur die Aufnahme von Jacobs erhältlich, jene von Leppard beim Clydebourne Festival zählt nicht zu den Glanzlichtern.

Umso spannender also diese Aufführung, in der die Norwegerin Ann-Beth Solvang die Diana, Christiane Karg die Nymphe Calisto singen. Herausragend erweist sich aber die junge Spanierin Sabina Puértolas, die zugleich ja auch im Ulisse die Minerva gibt. Weiteres Leben bringen auch Milena Storti als Linfea und Francesca Russo-Ermolli als Juno.

Mit Counter Xavier Sabata als Endimione ist ein weiterer Vertreter dieses Fachs endlich am Theater an der Wien zu hören – und es zahlt sich aus. Der italienische Bass Giovanni Battista Parodi als Juppiter und der spanische Bariton Borja Quiza komplettieren die Herrenriege der ersten Reihe. An weniger prominenter Position singen Ludovico Provost den Silvano und der Franzose Cyril Auvity, der auch schon am Orfeo mitwirkte.

Es ist schade, dass diese musikalische Version nicht zum nochmaligen Anhören greifbar ist.

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