Der Orlando von Georg Friedrich Händel war schon zu Lebzeiten des Komponisten wenig erfolgreich – und nach kurzer Zeit für Jahrhunderte von den Bühnen verschwunden. Auch scheint gerade diese Oper zum Bruch zwischen dem Komponisten und seinem Sängerstar Senesino nicht unwesentlich beigetragen zu haben.
Dabei ist das Werk ein Beispiel von der Nahtstelle zwischen Opera seria und neueren Formen, in der Entwicklung Händels vor allem aber zum englisch-sprachigen Repertoire seiner Oratorien.
Sind die musikalischen Formen der Oper vielfältiger – es gibt nur mehr wenige Da-Capo-Arien und deutlich gestraffte Rezitative -, so ist dies um den Preis von Dramatik und Spannung erkauft. In Hinblick auf die Konstruktion von Handlung und Spannungsbogen gehört der Orlando zu den schwächeren Opern Händels.
Moderner ist hingegen die Hinwendung zur inneren Entwicklung des Helden, der sich an der Schwelle des Zusammenbruchs seiner ritterlichen Welt befindet, der noch beschleunigt wird durch die unzeitgemäße Entscheidung der Königin Angelica für seinen Rivalen Medoro, wo doch Orlando sich als der standesgemäß logische Partner wähnte.
So können wir nun Orlando dabei zustehen, wie er seinen Verstand verliert. Die Regie von Claus Guth setzt diese an sich banale Geschichte in einen so betont banalen Kontext, dass kein Raum mehr für die Phantasie bleibt, und erstickt damit das psychologische Geschehen. Was bleibt, ist ein Gesinge darum, wer wen liebt oder nicht, betrügt oder nicht. Was zwar das Hauptthema jedweder Barockoper ist, aber hier noch nicht einmal von anderen Splittern von Handlung flankiert wird.
Die Szenerie von Christian Schmidt ist die von Vorstadthäusern vielleicht einer südlichen Touristenburg – also ebenfalls banal bis zum Erbrechen. Der Aufwändigkeit von Bühne und Dekor steht das völlige Fehlen von Ideen gegenüber, man scheint sie schlicht zubetoniert zu haben.
Bleibt einem die Konzentration auf das Ensemble: doch Counter Christophe Dumaux singt meistens hörbar gepresst, die Klarheit bleibt durchwegs auf der Strecke. Ihm gegenüber glänzt Raffaele Pe als Medoro mit mehr Stahlkraft. Herausragend dagegen die Damen: die sich auf den Bühnen zuletzt rar machende Anna Prohaska dominiert als Angelica das Geschehen, schafft wieder Freude an Händels cleverer Musik. Insbesondere glänzen sie und Raffaele Pe gemeinsam mit Giulia Semenzato als Dorinda im schon auf Mozart verweisenden Terzett zum Finale des ersten Aktes.
Dieser Abend im Theater an der Wien ist ein gutes Beispiel dafür, dass man mit einer CD – wie der von Renè Jacobs mit Bejun Mehta vorgelegten Einspielung von 2014 – getrost das Auslangen finden kann. Dass die beiden Frauen hübsch anzusehen sind, rechtfertigt nicht einen bleiern faden Abend – den man überdies auf unbequemen Stühlen zubringen muss. Da könnte man’s daheim angenehmer haben.