Um es vorweg zu nehmen: Eduard Lalo mag ein begnadeter Bratschist gewesen sein, er mag auch seine Soloinstrumentalisten, namentlich die an der Violine, mit wahren Gustostückerln versorgt haben, was ja durchaus hörbar ist, doch er war darüber hinaus ein fürchterlicher Ignorant dem Orchester gegenüber.
Da gastiert das Royal Philharmonic Orchestra schon mal in Wien, aber dann spielen sie ausgerechnet die nicht sehr geistreiche Fantasieouverture h-moll „Romeo und Julia“ von Peter Iljitsch Tschaikowski und gleich drauf die Symphonie espagnole!
Der junge britische Geiger Joshua Bell brillierte ohne Wenn und Aber in den ernsthaft ausgefeilten Solopassagen, die Lalo zur Freude aller Virtuosen da hinein komponiert hat, doch das Orchester unter der Leitung von Charles Dutoit muss sich dabei mit langweiliger Hilfstätigkeit abgeben. Das kann doch auch nicht der Sukkus – im alten lateinischem Wortsinn: von succus wie Saft – eines Konzertes sein. Obendrein war Bell sich für eine kleine Zugabe als Dank für den tosenden Applaus auch noch zu gut – was natürlich seine Leistung keineswegs schmälert, aber doch aus der Menge sonstiger Solisten in krasser Vereinzelung heraussticht.
Wenigstens vermochte die auf einer Fassung des Dirigenten basierende Suite aus „Romeo und Julia“ von Sergei Prokofjew dann doch den Abend noch zu retten. Da konnte endlich der königliche Klangkörper zur Geltung kommen, wurde ernsthaft orchestral musiziert. Dass Prokofiew sich von der blossen Gehopse-Musik seines Vorgängers Tschaikowski schon meilenweit entfernt hatte, wurde gerade in der Konfrontation mit dem Eröffnungsstück mehr als deutlich.