Abwesender Jupiter – composers remix

Der Meister hat bei sich selber abgeschrieben: zu jener Zeit war’s aber noch gang und gäbe, neue Opern in Gestalt von Pasticci einfach aus den Highlights anderer Werke zusammen zu stellen – was für die Sänger den Vorteil hatte, dass sie mit ihnen bekannten Stücken brillieren konnten, und die Hörer mit bereits bekannten Highlights versorgte; man muss ja nicht vergessen, dass es dazumal keine Tonträger gab.

Da Georg Friedrich Händel sich aber – bis auf zwei Arien von Francesco Araja – für seinen Giove in Argo ausschliesslich an Eigenem bediente, namentlich an den Opern Alcina, Faramondo, Giustino, Il pastor fido, Imeneo, Il parnasso in festo und der Serenata Acis and Galathea, kann man ihm das auch aus heutiger Perspektive durchgehen lassen.

Der Erfolg von Händels Opernunternehmen in London war in dieser Zeit bereits deutlich abgekühlt, mit der Form des grossen Oratoriums hatte der Komponist bereits andere Akzente gesetzt und das Publikum aufs Neue zu begeistern vermocht. Deswegen wohl auch beinhaltet Giove in Argo für Händelopern ungewohnt viele Chorsätze, die auch jene Passagen darstellen, die der Komponist neu schrieb.

Irgendwie scheint es im Libretto um Jupiter/Zeus zu gehen, jedenfalls dessen Geliebte Isis und Kallisto, denn der Göttermeister selbst ist im ganzen Stück abwesend. Des Weiteren sind aber die ganz und gar barocken Verwicklungen nicht der Rede wert.

Der ausgewiesene Originalklang- und Händel-Spezialist Alan Curtis bringt dieses Best-Of des alten Sachsen mit seinem Ensemble Il complesso barocco überaus präzise und selbst in den vielen Dynamikwechseln äusserst diszipliniert zu Gehör. Der fein gesponnene Klang schwebt gewissermassen über Ensemble und Sängern.

Mitgebracht hat Alan Curtis eine Riege von 3 begnadeten Sängerinnen und 3 reinen Männerstimmen, denn Händel hat in diesem Werk bereits auf die so typisch italienischen Hosenrollen und Kastraten verzichtet. Ergo singt die Schwedin Ann Hallenberg – von mir schon mehrfach gelobt – die Iside, die Kanadierin Karina Gauvin – angekündigt als Star des Abends – die Calisto.

Freilich sang Karina Gauvin die an Koloraturen reichen Arien mit Brillianz, allein die ausdruckstärkere Ann Hallenberg wusste sich besser in Szene zu setzen. Und die Griechin Theodora Baka sang eine Diana, die mir deutlich besser noch als alles andere gefiel.

Die Herren Anicio Zorzi Giustiniani – Arete -, Vito Priante – Erasto – und Johannes Weisser – Licaone – standen demgegenüber etwas im Schatten, wie wohl sie ihre Partien exzellent meisterten.

Leider ist nirgendwo dokumentiert, wer die beiden zusätzlichen Sänger waren, die das Sextett zum Chor erweitern halfen: denn der Schlusschor des zweiten Aktes Viver e non amar ist eine faszinierende vielstimmige Komposition, die ich als das eigentliche Highlight des Werks betrachten möchte.

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