Nach der mit Gesang weniger gesegneten Premiere von Rameaus Castor et Pollux vom Donnerstag bietet das Festival Resonanzen im Konzerthaus sonntags eine barocke Opernrealität, bei der auch wieder ordentlich gesungen wird: Leidenschaft, Ausdruck, Koloratur – alles drin. Des verweltlichten Mönchs Attilio Ariosti dramma per musica von 1701, La fede ne‘ tradimenti – zu deutsch: ‚Treue umringt von Verrat‘ – gelangt im Großen Saal des Konzerthauses zu konzertanter Aufführung.
Man muss bei dieser Musik keineswegs ein Landsmann des Komponisten sein, um sie wunderbar und erhebend zu finden (wie das bei Rameaus eigenartigem Verständnis von Melodie und Gesang der Fall ist). Hier wird nach allen Regeln der Kunst barocke Oper betrieben.
Ariosti bediente sich eines Librettos von Girolamo Gigli, in dem der Hintergrund der traditionellen mittelalterlichen spanischen Ritterdramen für eine arg spöttische Parodie des gesamten Genres herhalten muss. Die Figuren sind überzeichnet, die beißende Herrschersatire ist gewollt, zum Glück aber schrieb Ariosti seine Vertonung für den Berliner Hof, da scheint man die herben Späße der beiden Italiener nicht vollständig verstanden zu haben.
In Ariostis Musik spielt neben dem Cembalo die Theorbe eine zumindest gleichwertige tragende Rolle in den Rezitativen. Auch in den Arien setzt Ariosti, der selbst als einer der großen Lauten-Virtuosen seiner Zeit gelten darf, die Theorbe gern prominent ein. Das Klangbild unterscheidet sich also weitgehend von dem Händels, mit dem Ariosti in dessen erster Londoner Phase eng zusammen arbeitete, aber auch von dem der Franzosen, obgleich der Komponist selbst sich von Lully beeinflusst sah.
Die glanzvollen Momente des ersten Aktes gehören der schwedischen Mezzosopranistin Ann Hallenberg, die in der Rolle des Fernando ihre beiden prächtigen Arien allerfeinst platziert.
Der zweite Akt gehört dagegen der jungen Italienerin Lucia Cirillo als Elvira: ihr Mezzo klingt kraftvoll und dabei durchaus lyrisch, die beiden aufeinander folgenden Arien zu Beginn des Aktes weisen sie als rundum kompetente und einfühlsame Interpretin aus.
Die Mailänderin Sopranistin Roberta Invernizzi schliesslich ist keine Unbekannte in Wien: sie sang im Theater an der Wien schon in Händels Tolomeo. Hier tritt sie leider etwas zurück hinter bei beiden hervorragenden Mezzos, wie es auch dem in Norwegen geborenen Bariton Johannes Weisser nur einmal gelingt, sich glanzvoll in Szene zu setzen.
Europa Galante musizieren detailgetreu und mit viel Innigkeit, doch scheint Fabio Biondi, der auch die erste Violine spielt, das ganze Werk einen merkbaren Tick zu langsam angelegt zu haben. Ärgerlich ist dabei, dass durch solch unübliches Überziehen die Aufnahme der zeitgleichen Live-Übertragung in Ö1 einfach abbricht… Doppelt ärgerlich, weil es gibt das Werk in keiner Einspielung zu kaufen gibt. Man sollte eigentlich erwarten können, dass renommierte Musiker die Dauer ihrer Stücke präziser abschätzen können.
Verrat also auch auf dieser Ebene.