Zum Thema Staatsoper gibt es ja viel Neues: man hat Dominique Meyer den Vertrag nicht verlängert – auch gut, und wohl kaum zum Schaden des Hauses. Die Freude darüber, dass er den rumänischen Tennisspieler abgelöst hat, ist rasch verpufft. Ausser mit Durchschnittskost das Haus voll zu kriegen hat er wenig zuwege gebracht, das Bemerkenswerteste waren seine beiden für die Staatsoper ungewöhnlichen Ausritte ins Barock… ein Terrain, auf dem aber das Theater an der Wien dominiert. Statt dessen designierte man nun Bogdan Roščić, einen bislang als Plattenfirmenmanager bekannten Quereinsteiger. Die Motivation dazu könnte dem Vorbild von Peter Gelb geschuldet sein, wenn man arglos an die Sache herangeht – oder einfach nur blanke österreichische Freunderlwirtschaft, das kann man noch nicht sagen. Frischen Wind versprechen sich die einen davon, dem traditionellen Publikum graut eher davor.
Zum zweiten muss man konstatieren, dass die Staatsoper mit Sopranistin Daniela Fally einen neuen Regionalstar aufgebaut hat. Und in La Sonnambula vermag sie mit den fortwährend perlenden Koloraturen des Sizilianers Vincenzo Bellini als Titelheldin zu brillieren. Darstellerisch mag sie in Musicals passen, das vermag ich mangels Besuches ebensolcher ehrlicherweise nicht zu beurteilen, auf der Opernbühne hat die Niederösterreicherin allerdings die Grazie eines burgenländischen Entchens. Obwohl es auch da Schlimmeres gibt. Das Publikum jedenfalls tobte.
Womöglich ist der gesangliche Höhepunkt der Fally angestachelt von Juan Diego Flórez, dem Elvino dieser Aufführung: seine samtige Stimme ist inzwischen so ausgeprägt persönlich, dass es selbst aus der dritten Reihe einer Loge ohne jegliche Sicht beim ersten Ton klar ist, wer da singt… und er ist heute absolut auf der Höhe seiner Kunst! Mit Luca Pisaroni, den ich persönlich ja eher noch mehr schätze, als Conte gab es noch mehr herausragende Stimmen zu hören – nicht zu vergessen die ukrainische Sopranistin Maria Nazarova, die für mich die bessere Dame auf der Bühne war.
Das Dumme ist nur, dass ich mit dem ganzen Belcanto nicht viel anfangen kann. Ich habe mich schon lange nicht mehr so ausgiebig gelangweilt in der Oper wie bei Bellini. Das plätschert so gleichförmig vor sich hin – ja, es ist in der Tat ein Wunder, dass man mit einer Folge allseits beliebter Gesangsnummern den Eindruck des Dahinplätscherns erzielen kann, aber das geht offenbar. Bellini gelingen keine Ensembles, er schreibt für einstimmigen Fluss, ob jetzt solo, in Wechselgesang oder im Chor. Das ist vermutlich einer der Gründe, die es für mich fad machen. Wenn ich da an Mozart denke!
Dirigent Guillermo García Calvo bringt da auch keinerlei Lichtblicke ein, im Gegenteil, das Plätschern scheint ihm das wahr Anliegen zu sein. Auch die Inszenierung, wiewohl hier mal nicht die üblichen französischen Freunde des Direktors hantieren, ist bestenfalls zwittrig: im völlig naturalistischen Setting eines Luxushotels muss die Schlafwandlerin sich vor den Tischen ins Bett des Grafen legen, was bei dem Aufwand an Dekoration, der sonst getrieben wird, nicht nachzuvollziehen ist. Der Urheber des Ganzen, Marco Arturo Marelli, wird’s vielleicht wissen. Was immer für eine Idee dahinter steht, es ist ihm augenscheinlich nicht gelungen, sie zu transportieren.
Naja, einer geschenkten Karte schaut man nicht ins Maul – oder wie man da sagt. Ich höre zum Trost noch ein paar alte und neue Mozart-CDs…