Es gibt eine Reihe von kreativen Köpfen, die sich an einem Punkte ihres Lebens bewusst für die dunkle Seite der Macht, wie man das nennen könnte, entschieden haben. Zum Glück sind es sehr sehr wenige…
Beim diesjährigen Nobelpreisträger für Literatur, dem Chinesen Mo Yan, vermag ich das Dilemma aus zwei Gründen nicht zu lösen: ich kenne keines seiner Werke und kenn auch nicht die Referenz der chinesischen Literatur, an der sich seine etwaige Qualität bemessen ließe. Die lange Geschichte der Diktaturen dieser Welt sagt allerdings, dass die Masse derer, die sich anpassen und mitspielen, nur ganz wenige Individuen birgt, die auch Nennenswertes zustande bringen. Man versuche nur einmal, sich durch die Phalanx sowjetischer Musik zu hören, die nicht von Shostakovich oder Vainberg ist…
Ganz anders ist das aber wohl, wenn einer von auswärts, der eigentlich gar nicht gezwungen wäre, sich mit der Diktatur auseinander zu setzen, sich in ihren Dienst stellt?
Der Amerikaner Ezra Pound, geboten in Illinois, lebte ab 1908 in Europa und schloss sich 1924 nach seiner Übersiedlung nach Rapallo dem italienischen Faschismus an. Er wurde unangenehm bekannt durch seine geifernden Propagandareden auf Radio Rom, in denen er den Juden die Schuld am Zweiten Weltkrieg gab.
1945 wurde er deswegen von den einmarschierenden Amerikanern inhaftiert und eine zeitlang in Pisa in einem eigens angefertigten Käfig ausgestellt, ehe ihm im Jahr darauf in den USA der Prozess wegen Hochverrats gemacht wurde. Dem Todesurteil entkam er dabei nur, weil er für geisteskrank erklärt wurde und daraufhin für ein Jahrzehnt im St. Elizabeth‘s Sanatorium weggesperrt wurde.
Nun kann man ihn ob dieser Biografie durchaus für einen Irren halten. Nichts desto trotz gehören seine Cantos zum Größten der englischsprachigen Literatur aller Zeiten.
Die Literaturwissenschafterin Eva Hesse beschäftigt sich mit Pound schon seit vielen Jahren, sie hat auch eben erst die erste Gesamtübersetzung der Cantos ins Deutsche vollendet: Die Cantos: Zweisprachige Erstausgabe: Zweisprachige Ausgabe. Leider ist das Ding verdammt teuer!
In „Ich liebe, also bin ich“ – Der unbekannte Ezra Pound rollt sie die Hintergründe seiner Dichtung auf: die provencalische Literatur, mit der er sich die ersten Jahre in Europa beschäftigt hatte, die Entstehung der Liebesdichtung im späten Mittelalter, sowie die Einflüsse scholastischer und chinesischer Philosophie, also insgesamt durchaus seltsamer Dinge.
Und nicht einmal weist sie dem Dichter nach, dass er das Gelesene unvollständig verarbeitete, dass er die Denker falsch verstand. Doch ist es nicht Aufgabe des Poeten, die Philosophen zu verstehen, die das ja untereinander schon nicht wirklich zuwege bringen.
Auf jeden Fall macht diese Reise durch den Kosmos der Cantos wirklich Lust auf sie. Und es gibt sie etwas günstiger bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt.
Siehe auch: FAZ Besprechung der Cantos.