Frankenstein!!

Und das ist nicht einmal gelogen: HK Gruber interpretierte mit den Wiener Philharmonikern im Großen Saal des Konzerthauses HK Gruber: Frankenstein!! Ein Pandämonium für Chansonnier und Orchester kommt im Mäntelchen einer Kinderoper mit gar bösen Sprüchen daher. Aber auch das ist kein Wunder, stammen diese Textzeilen doch von Hans Carl Artmann, dem Meister hintergründiger Bosheiten. Die Musik dazu ist verhalten modern, deutlich geprägt von großen Vorbildern der Zwischenkriegszeit.

Insoferne passte der Frankenstein auch halbwegs ins Programm: HK Gruber startete mit Kurt Schwitters ursonate aus den Zwanzigern – die er höchstselbst und stimmgewaltig interpretierte, wahrlich ein Paradestück für den Chansonnier. Daran schloss nahtlos A Jazz Symphony des ‚Amerikaners in Paris‘ George Antheil an, eine nette piéce im Spannungsfeld europäischer Moderne und amerikanischer – dazumal zeitgenössischer – Populärmusik. Dass Antheil nicht der einzige war, der diese Synthese ver-suchte, war dann zum Abschluss noch zu hören…

Mit viel feiner Ironie komponierte Friedrich Cerha 2006 seinen Zyklus Wiener Kaleidoskop, aus dem fünf Stücke zu hören waren: und natürlich macht es HK Gruber diebischen Spass, die Philharmoniker durch dieses Minenfeld hintergründiger, ja hinterfotziger Zitate aus dem heiteren Wien zu jagen – es macht aber sichtlich allen Spass. Auch beim Zuhören.

Das Herzstück des Konzerts aber bildete das Violinkonzert D-Dur von Igor Stravinskij, viel zu selten gespielt, diesmal von Julian Rachlin – der unter Grubers leichthin fliessendem Dirigat eine der vielfältigen Klangwelten des ‚Russen in Paris‘ zu eröffnen vermochte.

Zum Schluss gab’s noch Prélude, Fugue and Riffs für Soloklarinette und Jazz-Ensemble des ‚Amerikaners in der Welt‘ Leonard Bernstein, ein Stück, auf das ich getrost hätte verzichten können: mag es am Komponisten liegen, der es so notiert hat, mag es daran liegen, dass Jazz von Philharmonikern gespielt wie Jazz von Philharmonikern gespielt klingt… Bauteile und Elemente des Big Band Sound – immerhin entstand das Stück 1949 am Höhepunkt der Swing Ära – wurden in die klassische Art des Musizierens verpflanzt, dabei aber ging Bernstein längst nicht so weit wie Antheil, der immerhin eine gültige Verschmelzung mit zeitgenössischem Komponieren am Vorabend des Zweiten Weltkriegs zuwege brachte.

Bernsteins opusculum klingt wie von einer Kapelle, deren Mitglieder nicht beisammen stehen. Es kommt niemals auch nur entfernt das auf, was den Jazz ausmacht: nicht darauf, dass die Synkopen auf dem Papier stehen, kommt es an, sondern darauf, dass es lebt und von Leben pulsiert und ehrlich und verwurzelt ist – aber: kalt und gefühllos musiziert, wo kein Funke zwischen den Musikern überspringt, und damit natürlich auch nicht auf den Zuhörer, zumindest nicht den, der das Material kennt, da kann das nichts werden.

Ist HK Grubers Frankenstein ein liebenswertes Kinderopern-Monster, so ist Bernsteins Jazz ein echtes. Da hilft auch ein Aufgebot von Meistermusikern wie Gerald Preinfalk und Ernst Ottensamer wenig. Aber natürlich kann man das, wie der tosende Applaus beweist, auch ganz anders sehen. Zum Glück gab’s vorher in ausreichender Menge Brilliantes zu hören!

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