Nun hat das Festival für moderne Musik wien modern seine erste Dekade hinter sich gebracht – und trotz budgetärer Dämpfung – die seit Jahren nicht mehr angehobene Subventionen vor allem seitens der Stadt Wien erlauben heuer nur noch eine Programmierung von drei anstatt vier Wochen – hat man sich wieder einiges vorgenommen: Edgar Varèse, Iannis Xenakis, Robert Ashley und von den Jungen Bernhard Gander und Ole-Henrik Moe stehen diesmal im Mittelpunkt.
Für das Eröffnungskonzert wurde aber der sechsteilige Zyklus Les Espaces Acoustiques des Franzosen Gérard Grisey gewählt, die zwischen 1974 und 1985 entstand und vom Programm her den fundamental analytischen Zeitgeist eben jener Epoche der Neuen Musik spiegelt:
Die Einheit des Ganzen beruhr auf der formellen Ähnlichkeit der Stücke und auf zwei akustischen Anhaltspunkten: dem Obertonspektrum und der Periodizität.
Den Prologue für Viola solo spielte Dimitri Polisidis, eine zunächst stetig in einer Art von Spirale wiederholte melodische Silhouette, die eine Reihe von Transformationen durchläuft, bis sich mehr und mehr Inharmonizitäten durchsetzen und das Stück in einem jedoch durchaus nur konsequenten Geräusch enden.
Die Périodes für sieben Musiker und die Partiels für 18 Musiker spielten Mitglieder des Klangforum Wien unter der Leitung von Sylvain Cambreling: das menschliche Atmen definiert die beiden Stücke, einmal über das Momentum
dynamisch/steigend, dynamisch/entspannend und statisch/periodisch, analog zum menschlichen Atem: Einatmen, Ausatmen, Ruhepause
und zum anderen eingebettet in den Zyklus des Atmens die Instrumentalsynthese, die Grisey analog zur auditiven Synthese der elektronischen Musik entwickelte, um aus dem einzelnen Instrument als Isolation des Klangs über die Kombination innerhalb des Ensembles zur globalen Synthese zu gelangen.
Die Modulations für 33 Musiker, ein dynamisches Fliessen rund um ein „E“ durch mehrere Modulationsprozesse, sowie die Transitoires für Großes Orchester, in denen die Zeit als Leitlinie fallengelassen und eine Expansion oder Explosion in die gesamte spektrale Breite vorgenommen wird, setzte das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter der Leitung von Sylvain Cambreling fulminant um.
Aus dem fünften Stück heraus treten vier Hornisten und gestalten im Dualismus mit den Schlagwerkern vor versammeltem Orchester den Epilogue – ein Ende, das mehr willkürlich als aus dem Material oder dem Fortschritt des Kompositionsgeschehens heraus auftritt.
Leider waren für ein so hochkarätiges Konzert wenig Hörer zugegen, der Große Saal des Konzerthauses war nur zu etwa zwei Dritteln besetzt. Zum Glück gibt es von den Espaces Acoustiques auch eine Einspielung…