Franz Jägerstätter hat den Dienst mit der Waffe in der deutschen Wehrmacht verweigert – und ist zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Das muss man und soll man anerkennen, denn solche Kompromisslosigkeit des eigenen Gewissens ist rar. Nicht nur gewesen in jenen Tages, als es – wie das Beispiel zeigt – lebensgefährlich war, zu seinen Einstellungen zu stehen, sondern auch heutzutage, wo Verweigerung zwar in Konsequenzen billiger zu haben aber dennoch keineswegs alltagsverträglich geworden ist.
Die Situation des Menschen Franz Jägerstätter haben im Film Der Fall Jägerstätter Regisseur Axel Corti eindringlich herausgearbeitet und Kurt Weinzierl glaubhaft und vielschichtig dargestellt.
Man braucht sich nicht auf ein moralisches hohes Roß zu schwingen, um die Befolgung christlicher Maximen von den Gläubigen dieser Religion einzufordern – es ist immer leicht, von einfachen Leuten Unmögliches zu verlangen; und dennoch tun manche es.
Mit wem man aber ins Gericht gehen darf, ja muss, das ist der institutionalisierte Glaube, das sind die Entschiedungs- und Würdenträger, das ist die römisch-katholische Kirche: mit ihrem Segen und der Weihe seiner Waffen durch ihre Priester hat das Deutsche Reich Hitlers das eigentlich zutiefst katholische Polen überfallen, das nicht minder katholische Frankreich erobert – um später das bolschewistische Rußland anzugreifen, wobei es seine Wehrmacht mißbrauchte – und diese sich willfährig mißbrauchen ließ. Alles das unter den vor Ort anwesenden Augen der Militärseelsorge und mit der stillschweigenden Billigung von Pius XII, der es ab 1939 vorzog, zu alldem höchstens durch seinen Kardinal Maglione bedauern zu lassen,
der heilige Stuhl sähe sich ungern genötigt, sein Mißfallen zum Ausdruck zu bringen.*
Aber diese römisch-katholische Kirche verdankte dem Faschismus ihren Staat und hatte sich mit dem Hitlerismus blendend engagiert – zum Teil samt Unterdrückung der Widerstände einzelner ihrer eigenen Anhänger. Nicht zuletzt war die Vernichtung des Bolschewismus etwas, das diese Kirche auch nach dem Krieg noch durchaus ein halbes Jahrhundert lang zu ihren Zielen zählte, recht eigentlich bis zu dessen abtreten aus der Geschichte, mithin ihrem Sieg.
Umso bedeutender ist es – für die Menschheit, die Österreicher, die Christen, aber keineswegs für die Kirche! -, dass es Aufrechte vom Schlage des Franz Jägerstätter gegeben hat. Ihr Handeln hat zwar keinerlei direkten Einfluss auf den Gang der Geschichte gehabt, mit der winzigen Ausnahme, dass sie nicht wie Millionen anderer Deutscher und Österreicher das Unrechtsregime der Nazis so lange als irgend Atem und Munition reichten verteidigt und am mörderischen Leben gehalten haben. Das Fehlen der Verweigerer und Deserteure in der Kampfkraft der Wehrmacht ist wohl historisch bedeutungslos, menschlich aber von unvorstellbarer Größe.
Andererseits ist die Seligsprechung dieses Franz Jägerstätter nicht bloß ob ihrer Verspätung von 65 Jahren ein Irrwitz, sondern als Gesamtakt eine Frechheit sonder gleichen. Die verbrecherische Organisation Kirche bemächtigt sich eines weiteren Blutzeugen für etwas, das sie weder damals gewollt noch eigentlich jemals unterstützt hat: Menschlichkeit, aufrechte Haltung, das Leben der von ihr selbst propagierten Glaubensinhalte. Scheinheiliger geht’s nicht.
Jägerstätter hat Rat und Hilfe bei seiner Kirche gesucht: bekommen hat er am Ende die letzte Ölung, denn natürlich macht diese Kirche sich bei der Hinrichtung ihrer Märtyrer stets mit der Gewalt gemein. Zu mehr war diese Kirche damals nicht im Stande und ist es bis in die Gegenwart nicht, wenn es irgendwo auf dieser Welt genau darum geht.
Heute wird also mit pompösem Festgepränge Franz Jägerstätter ein zweites Mal gegen sein Gewissen gezwungen, bei etwas mitzumachen – nur dass er sich diesmal nicht mehr verweigern kann.
* Nachzulesen ist das in David I. Kertzers Buch Die Päpste gegen die Juden, in dem der amerikanische Anthropologe und Historiker die Erfindung und Propagierung des modernen Antisemitismus durch eben diese Kirche anklagt:
Weder die gelben Sterne, noch der Ausschluß der Juden als Fremde oder gar die Konzentration an vorgeschriebenen Wohnorten waren Erfindungen der Nationalsozialisten. Alle diese Dinge hatte noch in der Mitte des neunzehnten jahrhunderts der Vatikan als Maßnahmen in seinem Regierungsbereich gesetzt. Aber die Kirche hat den Massenmord an den Juden weder gefordert noch sanktioniert, so verteidigt sich die vatikanische Kommission über den Holokaust.
Gewiss, die Juden sollten ihrer Bürgerrechte bereaubt werden und ja, sie sollten vom Rest der Gesellschaft abgesondert werden.
So, schreibt Kertzer, trug die Kirche mit Worten und Taten auch zur Ermöglichung der Ausrottung bei. Erfunden hatte sie das Prinzip dahinter längst.