Mein usprüngliches Unbehagen mit den Kontertenören hat sich nachgerade in Begeisterung verwandelt – und dazu leisten Sänger wie der wallisische Counter Iestyn Davies immense Beiträge.
Heute zu hören im Theater an der Wien in einer konzertanten Aufführung des Tolomeo, Re d’Egitto von Georg Friedrich Händel – ein Werk aus der Krisenzeit des ersten Händel’schen Opernunternehmens am Londoner Hay Market. Doch auch der bemerkenswerte Erfolg des tolomeo vermochte die Royal Academy nicht vor Bankrott und Auflösung zu retten, zu teuer waren inzwischen die Ausstattungen und vor allem die Stars geworden, zu dünn der Besucherstrom, der sich statt dessen mehr und mehr an der neuen Form der englischen Openparodie – begründet zu eben jener Zeit in John Gay’s The Beggars Opera – erfreute.
Die traditionsreichen Barockspezialisten des italienischen Ensembles Il complesso barocco unter ihrem Leiter Alan Curtis brachten Händels Musik – wie schon bei der Agrippina und bei Giove in Argo – kompetent zum Klingen. Manche werfen Curtis eigenwillige Interpretationen vor, doch versteht er sich durchaus mit anderen Größen der Originalklang-Szene zu messen.
Den Titelhelden singt Iestyn Davis, der sich wahrhaft überzeugend durch die schwierigen Kastraten-Partien bewegt, seine große Liebe Seleuce die kanadische Sopranistin Karina Gauvin, die schon in Giove in Argo brillierte.
Die beiden Italienerinnen Roberta Invernizzi, Sopran, und Romana Basso, Mezzo, runden das hervorragende Ensemble ab, komplettiert wird es vom Tenor Matthew Brook. Allen verstehen ihren vertrauten Umgang mit dem barocken Musikgut bestens hörbar zu machen und liefern eine mustergültige Interpretation.