Die Wiederbelebung der Kameliendame

Dass Marlis Petersen eine der herausragenden Sopranistinnen dieser Tage ist, hat sie schon mehrfach unter Beweis gestellt, nicht zum mindesten in Aribert Reimanns Medea an der Staatsoper wie auch an der MET. In dieser Saison singt sie an der Oper Graz die Violetta…

Und was für eine Traviata haben Regisseur Peter Konwitschny und sein Team da auf die Bühne gestellt! Dem Red Bull-Sender Servus TV sei Dank, die Aufführung ist in bestem HD im Fernsehen zu sehen – und natürlich taxfrei aufzuzeichnen.

Zu hören ist eine durchgespielte Kurzfassung – aber das ist keineswegs von Übel. Die Striche ermöglichen die stringente Erzählung eines konzentrierten Dramas, und das Konzept Konwitschnys weicht in keiner Sekunde vom Kern des Stückes ab.

Marlis Petersen spielt nicht nur mit viel Einsatz und hohem Realismus, sie singt auch phänomenal – da braucht sie sich vor den meisten anderen Größen in dieser Rolle keineswegs zu verstecken. Und dass sie obendrein noch eine viel bessere Figur macht als fast alle anderen, komplettiert die Interpretation der Grazer Oper zum wegweisenden Erlebnis. Ähnlich wie in der Medea gibt sie alles, in bester schauspielerischer Tradition. Vom Realismus der Figur geprägt ist auch ihr Gesang, wenn sie Brüchigkeit in der Stimme zulässt, wo andere primär den Schöngesang über die Erfordernisse der Rolle stellen. Dabei noch immer klar zu singen und dem Geist der Partitur Genüge zu tun, ist ihr hoch anzurechnen.

Die aufs Extremste reduzierte Bühne von Johannes Leiacker – mit Ausnahme von wenigen Utensilien herrscht Leere zwischen den und vor den Vorhängen – beweist einmal mehr, dass es sogar ganz ohne Ausstattung geht, wenn man sich um die Oper selbst bemüht. Es ist das genaue Gegenteil von Otto Schenk oder Franco Zefirelli – und eben deswegen bei weitem überlegen.

Neben Marlis Petersen singen Giuseppe Varano den Alfredo und James Rutherford den alten Germont, die musikalische Leitung hat der Neuseeländer Tecwyn Evans.

Herausgekommen ist eine entstaubte Traviata, reduziert auf das reine Drama der Kameliendame, um nicht zu sagen: eine Wiederbelegung dieses in gesanglichem Hochleistungssport erstarrten Werkes.

Linktipps: Marlis Petersen, Oper Graz (Google Maps).

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