Des Kaisers Feldherr, schleissig lektoriert

Es gibt – neben Theodor Mommsens Römischer Geschichte – wenige Werke der historischen oder biographischen Literatur, die sowohl fachlich von Rang sind als auch literarische Meilensteine.

Dem Wallenstein von Golo Mann eilt jener Ruf voraus, daher liegt er, in der wohlfeilen Ausgabe der Spiegel-Bestseller-Bibliothek, schon länger auf dem Lesestapel – und ist nun auch drangekommen.

Aber das Ärgerliche dieser Ausgabe (jene des S. Fischer Verlags ist besser: Wallenstein) gleich vorweg: sie ist schleissig lektoriert. Die Entstellungen der eleganten, gelenken Prosa des Büchner-Preisträgers tun weh – und das leider allzu häufig. Ich kann nur derzeit die Taschenbuchausgabe nicht zu Rate ziehen (liegt irgendwo im Lager versteckt), um die Verantwortlichkeit dafür genauer zuzuweisen. Ich will einmal annehmen, dass in der Reproduktion geschludert wurde und die Entstellungen nicht im Original von 1971 zu finden sind.

Hat man sich erst mal in den wohltuend altmodischen Duktus Golo Manns eingelesen, macht seine Prosa weitestgehend Spass – der Ruf des Stilisten eilt ihm also zurecht voraus.

Seine Darstellung des Lebens und Wirkens des aus ärmlichen Verhältnissen, jedoch altem Adel zu reichsbedrohender Macht – so jedenfalls wollten es die Zeitgenossen sehen, die ihn schlussendlich auch ermorden ließen – aufgestiegenen Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein.

Als junger Spund scheint Wallenstein ein Raufbold gewesen zu sein, überliefert ist jedenfalls die Geschichte um den Bedienten, den er in Altdorf fast tot geprügelt haben soll.

Der knapp Zwanzigjährige zieht erstmals in den Krieg, und das Soldatenmetier wird ihn niemals mehr wieder loslassen. Auch einer vom begleitenden Personal seines weiteren Lebens begegnet ihm auf diesem ersten Feldzug schon: Graf Tilly, der spätere Mitheerführer, Konkurrent und Nachfolger im ersten Generalat.

Weiten Raum gibt Golo Mann der Herausbildung der Fürsten- und Wirtschaftspersönlichkeit Wallensteins: Im Gefolge des böhmischen Aufstands, der den Dreissigjährigen Krieg auslöste, vor allem nach der Schlacht am Weissen Berg, sicherte Wallenstein sich beträchtliche Güter und Herrschaften aus dem konfiszierten Besitz der böhmischen Potestanten. Gelungen scheint ihm dies vor allem mittels Vorfinanzierung eines eigenen Regiments zu sein, das er den Kaiserlichen zuführte – und für das der Kaiser nicht anders zu zahlen vermochte, als durch großzügige Abgabe von protestantischer Ländereien.

Diese Methode, sich durch das Aufstellen eigener Truppen der Schuld des Kaisers zu versichern und diese möglichst gewinnbringend aus der Beute einzubringen, hat Wallenstein zeitlebens verfolgt – sie hat ihn zu einem der reichsten Männer seiner Epoche gemacht.

Der Heerführer Wallenstein ist kaum je gekennzeichnet von Entschlusskraft, das Risiko ist sein Exerzierfeld nicht. Schlachten schlägt der Kaiserliche Generalissimus nur, wenn ihn die Übermacht dazu ermutigt, wenn die Sicherheit besteht, sein teuer erkauftes Heer auch gut durch die Kämpfe zu bringen.

Viel Raum lässt Golo Mann auch dem Politiker Wallenstein: seiner Meinung nach war Wallenstein nicht auf die Erreichung der eigenen Herrschaft in Böhmen aus, wie ihm die Zeitgenossen vorwarfen, sondern an einem allgemeinen Frieden interessiert, der aus der starken Position des Kaisers hervorgehen sollte. Doch waren just der Kaiser und seine Ratgeber immer dann einem Frieden abgeneigt, wenn sie ebendiese starke Position innehatten.

Als Organisator ist Wallenstein brillant und seiner Zeit um einiges voraus: sowohl die Leistungen bei der Aufstellung für ihre Zeit riesiger Heere im Namen des Kaisers zeigen einen frühen Wirtschafts- und Logistikfachmann, auch die Organisation der eigenen Herrschaften und die Stützung ihrer wirtschaftlichen Prosperität – zum Wohl des Fürsten Wallenstein, der exorbitante Ausgaben der Hofhaltung zu finanzieren hatte – zeigt ein besonderes Talent.

Dass er sich am Ende allzu sehr verschuldet hat, um dem Kaiser zu einem erfolgreichen Frieden zu verhelfen – so jedenfalls die Ansicht Golo Manns –, zeugt aber auch von zweierlei Faktenlagen am Übergang von der feudalen zu Elementen einer protokapitalistischen Wirtschaftsweise: zum einen ist auf den Herrscher kein Verlass, seine Finanzgebarung ist immer chaotisch, die Finanzen des Reiches sind immer zerrüttet, Geld fließt mehr als spärlich nur dann, wenn es mit vorgehaltener Waffe erpresst wird – mit ein Grund, warum der Dreißigjährige Krieg jener zentrale Greuel in der deutschen Geschichte wurde, der er bis heute geblieben ist.

Zum anderen ist der kreative Umgang mit der Erschließung von Finanzquellen noch recht handgreiflich geprägt, das Borgen in großem Stil aber ein Risiko, das den Bankier trifft und kaum den Schuldner. Nicht umsonst bleibt Wallensteins Bankier Witte nicht anderes übrig als sich das Leben zu nehmen, als die Geldquellen, die alljährlich zur Umschichtung und Umdrehung der riesigen Kreditsummen erforderlich sind, nicht mehr aufbringbar sind.

Am Ende seines Lebens kann Wallenstein auf nichts mehr zählen: sein Kredit ist ruiniert, sein Kaiser hat ihn dem Meuchelmord überantwortet, seine Heerführer erweisen sich als wenig loyal, das Finanzsystem seines Herrschers erfordert es nun, dass er stürzt, damit andere aus der Masse seines Vermögens bedient werden können. Wallensteins Tod ist auch ein Raubzug zur weiteren Finanzierung des Krieges, in dem er immer wieder für den Kaiser Siege erfocht.

Gespiegelt in der Biographie ihres Generals finden sich die Kaiser Matthias und Ferdinand II aus dem Hause Habsburg – bornierte Machtmenschen, geistig alles andere als rege und den Einflüsterungen ihrer Beichtväter und Berater unterworfen, katholische Eiferer, Verderber ihrer Völker.

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