Er ist unbestritten und unbestreitbar der große Magier jenes Bereichs der Musik, in dem es um die Erforschung und Rekonstruktion jener Klänge geht, die zu Lebzeiten eines Komponisten geübte Praxis waren: Nikolaus Harnoncourt, obgleich inzwischen über 80 Jahre alt, arbeitet unermüdlich und mit schier nicht zu erschöpfender Energie an diesem seinem Lebenswerk.
Im Großen Saal des Musikvereins präsentiert er heute im Rahmen des Zyklus ‚Concventus Musicus‘ das Oratorium La Resurrezione di Nostro Signor Gesù Cristo des noch jugendlichen Georg Friedrich Händel von 1708.
Das Werk entstand anlässlich eines mehrjährigen Italienaufenthalts des erst 20jährigen Komponisten im Rom zur Zeit der opera proibita, als die Aufführung von Opern im gesamten weltlichen Einflussbereichs des Papsttums verboten war – und man daher auf Oratorienwerke mit geistlichen Themen auswich. Dass diese Päpste offenbar immer schon bestenfalls aufgeblasene Wichtigtuer waren, zeigt sich in winzigen Details der Uraufführungsgeschichte:
So musste Händel dem Bass das einleitende Rezitativ streichen und sein Oratorium statt dessen mit der Arie des Engels beginnen lassen, denn die kuriale Zensur beanstandete, dass ein erbauliches Werk durch den Teufel eröffnet werde.
Bei der Uraufführung am Ostersonntag 1708 sang Marghuerita Durastanti den Engel, womit sich der Komponist neuerlich eine heftige Rüge von Seiten des Papstes zuzog, da zu jener Zeit im Kirchenstaat die Mitwirkung von Frauen an Gesangsdarbietungen ausgeschlossen war. So musste bereits die Wiederholung am darauffolgenden Ostermontag von einem Soprankastraten bestritten werden.
Händels Jugendwerk atmet – wie auch das stilistisch und motivisch eng verwandte Oratorium Il trionfo del Tempo e del Disinganno aus dem Jahr davor – eine Frische und fast übermütige Ingenität der Erfindungen, dass es nur eine Freude ist. Hier ist der Komponist noch völlig frei von großer Geste, Pracht und Pomp, wie sie in den Oratorien seiner letzten englischen Phase bestimmend werden sollten; es gibt hier inständige, teils durchaus leise Musik zu erkunden, bei der auch die reichhaltigen Koloraturen noch nicht ins Artifizielle der Londoner Sängerwettstreite überhoben sind.
Harnoncourt präsentiert mit seinem Concentus Musicus eine aktualisierte Fassung der Resurrezione, in der insbesondere die Rolle der Posaune völlig neu definiert wurde – sie wird, nahezu einzigartig in der barocken Literatur – als Contiunuo-Instrument eingesetzt und als solches dem Teufel zugeordnet.
Diesen singt der italienische Bass Luca Pisaroni mit ausserordentlichem Umfang. Seinem Gegenüber als Engel verleiht die deutsche Sopranistin Christine Schäfer eine geschmeidige Stimme, welche die hohen Anforderungen der Händel’schen Partitur meisterlich erklingen läßt.
Herausragend aber diesmal die italienische Sopranistin Roberta Invernizzi, die in Wien schon mehrfach in barocken Opern und Oratorien hervorgetreten ist; ihre Interpretation ist luzide, facettenreich und ausserordentlich präzis. Und bietet einen wahrhaften Hörgenuss abseits artistischer Kapriolen.
Hervorzuheben auch die junge, aber inzwischen international sehr gefragte Altistin Wiebke Lehmkuhl, deren Alt warm und voll erklang.
Den Johannes sang unbestreitbar auf höchstem Niveau der Engländer Toby Spence. Inbesondere in seiner letzten Arie Caro figlio findet er zu einer stillen Eindringlichkeit, wie sie nicht eben oft zu hören ist.
So bleibt noch zu hoffen, dass diese offensichtlich mitgeschnittene Aufführung auch zugänglich gemacht werden wird, denn die klanglichen Neuerungen dieser Version sind nachgerade eine Auferstehung der Auferstehung.
Ein Gedanke zu “Die Auferstehung der Auferstehung”