Aus seiner Zeit gekommen dieselbe mächtig überragend

Der alte Otto von Bismarck – auch der war mal jung. Und in der Tat, der Reichsgründer dürfte, sogar zumeist gegen seinen König, der die ganze Zeit über Wilhelm II hieß, die Gründung eben dieses Reiches erfunden, betrieben und abgeschlossen haben. Man ist ihm dann bereitwillig gefolgt.

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Der amerikanische Spezialist für deutsche Geschichte, Jonathan Steinberg, hat in Bismarck: Magier der Macht den politischen Künstler Bismarck beschrieben – mit alle seinen Licht- und viel mehr Schattenseiten.

Zunächst einmal schien der junge, sehr begabte Politiker Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen aus dem traditionsbewussten preußischen Junkertum sich ganz im Sinne seiner stockkonservativen Gönner und Förderer entwickeln zu wollen; man wusste noch nicht, dass er in erster Linie auf sein eigen Fortkommen zu achten gewillt war und dabei jegliche Prinzipien ignorierte, sei es des politischen Konservatismus oder der protestantischen Ernsthaftigkeit, die man daheim in Ostpreußen pflog.

Er machte seinen Weg über die Funktion des Botschafters Preußens beim Deutschen Bund und anschließend in St. Petersburg, ehe er 1862 Außenminister und Ministerpräsidenten berufen wurde. Und sogleich zettelte er recht kurz hintereinander, und zwar 1864, 1866 und 1870, drei folgenschwere Kriege an, den ersten gegen Dänemark mit dem Gewinn von Schleswig und Holstein sowie neben anderen innerdeutschen Territorien auch Frankfurt, den zweiten gegen Österreich, das in der Schlacht von Königgrätz 1867 eine seiner empfindlichsten Niederlagen einstecken musste, und den dritten und letzten gegen den Erzfeind Frankreich, der sogar zur Gefangennahme von Kaiser Napoleon III bei Sedan führte.

Bismarck führte so seinen weitaus zögerlicher agierenden König in die Einigung Deutschlands und zum Kaisertitel. Der brauchte sich lediglich in den entscheidenden Momenten seinem Minister nicht in den Weg zu stellen.

Nachdem er aber diesen Höhepunkt erklommen hatte, kämpfte er mit unterschiedlichem Erfolg in den Niederungen der parlamentarischen Repräsentation, ohne je selbst über die Unterstützung einer nennenswerten eigenen Partei zu verfügen, ganz auf den Rückhalt seines Monarchen gestützt. Dabei entwickelte er sich zu einem skrupel- und rücksichtslosen Machtpolitiker, der selbst enge Mitarbeiter nur benutzte, solange sie dienlich waren, und sie abservierte, wenn er sie nicht mehr brauchte oder sie ihm nicht länger in der Spur zu laufen schienen.

Dabei war seine Spur häufig von abrupten Wendungen gekennzeichnet, die einerseits das Genie des parlamentarischen Taktikers offenbaren, andererseits auf die fundamentale Prinzipienlosigkeit des älter werdenden Machtmenschen hinweisen.

Es ist einerseits zu bewundern, wie ein Einzelner es vermochte, einem Kontinent, der behutsam eine fragile Stabilität zu sichern bestrebt war, ein neues und völlig verändertes Gefüge aufzuzwingen, in dem aus dem recht unbedeutenden östlichen Kleinstaat Preußen innerhalb weniger Jahre das riesige und bedrohliche Deutsche Reich erstand. Andererseits muss man anerkennen, dass von Bismarcks Einigungswerk der direkte Weg in die Schützengräben des Ersten und den restlosen deutschen Untergang im Zweiten Weltkrieg führt.

Der Geschichte eignet jedoch im Rückblick eine Zwangsläufigkeit, die sie im Augenblick ihres Fortschreitens eigentlich gar nicht hat. Vom Standorte Bismarcks führt allenfalls ein schmaler, einer von vielen Wegen mit anderem Ziel, zu Hitler. Von Hitler aus zurückblickend, steht am Anfang des Weges jedoch der Juncker Bismarck. Das ist die Ironie der Geschichte: der sie schuf, legte auch den Grundstein für die machtvolle Implosion der Glorie Preußens. Umgekehrt schein es von heutiger Warte aus eines wahnwitzigen Hitler bedurft zu haben, um die Deutschen, denen Bismarck viel zu rasch zu Weltgeltung verholfen hatte, wieder zu zähmen.

Steinberg zitiert ausgiebig aus einer nahezu unüberschaubaren Reihe von Briefwechseln und Memoiren und erreicht damit eine Darstellung der Persönlichkeit Bismarcks, die auch seine ausgeprägt negativen Seiten umfasst, wie aber auch seine brillante Stilistik, seinen verqueren Humor und seine Offenheit in Sachen politischer Planung bestens erkennen lässt. Daraus ist ein hochgradig lesbares Buch geworden, das sich nicht nur der staatsgeschichtlichen Bedeutung des Biografierten annimmt sondern vor allem einen Mann präsentiert, der aus seiner Zeit gekommen dieselbe mächtig überragt hat.

Indirekt liefert diese Biografie auch ein Porträt jenes Herrschers, der fast die gesamte lange Dauer von Bismarcks Regierungszeit über König von Preußen und alsbald Deutscher Kaiser war, des bei seinem Ableben über 90 Jahre alten Wilhelm II, der sich durch wenig ausgeprägte eigene Meinung, vielfaches Zaudern, aber einen hohen Grad von Informiertheit auch in Detailfragen auszeichnete; und ein Bild der ausgeprägten Intrigen, die hinten herum von Königin und Kaiserin Auguste sowie vom Kronprinzenpaar unter vornehmlicher Anleitung der Tochter der englischen Königin gesponnen wurden.

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