Wien Modern 2007 / 3 (Konzerthaus, Neuer Saal)
Das auf Neue Musik spezialisierte Kairos Quartett gastierte bei Wien Modern mit einem Programm zweier Streichquartette des ‚Meisters der Mikrotonik‘ Georg Friedrich Haas, namentlich das erste und dritte.
Eingeleitet wurde der (lange) Abend vom Koan des Kaliforniers James Tenney: ursprünglich für Violine Solo komponiert, wurde das Stück später für das Kronos Quartett umgearbeitet; der Solopart wurde zur ersten Geigenstimme, in den drei tieferen Stimmen breitet sich das klangliche Fundament dieses aufs erste Hinhören recht statischen Stücks aus, dessen Veränderungen – passend zum restlichen Abend – sich nur in mikrotonalen Zwischenstufen entwickelt, dabei aber langsam einen Weg über alle Saiten des Instruments durchlaufen. Die Wanderung wird nur sehr schwer wahrnehmbar, das sie in einer geringfügigen aber konstanten Bewegung des gesamten Klangraums erfolgt, was die gewohnte Wahrnehmung in Zeitverläufen – auf eine nicht arg drastische Weise – sabotiert.
Das erste Streichquartett von Haas wollte darauf über weiteste Stecken eher klingen wie ein Klanggemälde des großen Verschubbahnhofs von Alma Ata – unabhängig davon, ob es dort überhaupt eine Eisenbahn gibt… Die Struktur ist eher subtil, die Unterschiede und Wandlungen der Skalen und das allmähliche Hervortreten der Obertöne auf Basis eines mikrotonal gestimmten Intrumentenensembles ist mehr etwas für Theoretiker als für Hörer.
Demgegenüber bot das dritte Streichquartett ein unmißverständliches Hörerlebnis – das Stück namens In iij. Noct. wurde titelkonform in völliger Dunkelheit gespielt: das lehrt den Zuhörer mehr über das Hören als man sich das zunächst vorzustellen geneigt wäre. Das Stück selbst spielt mit Effekten der Ortung im Raum (die Instrumentalisten befinden sich in den Ecken des Saals), mit Wanderungen von Klängen, und vor allem mit den nicht in einer Partitur stehenden Koordinationsprozessen des Quartetts. Die für totale Dunkelheit gangbare Vorgehensweise ist es dabei, dass ein Instrument einen Anfang macht – Haas nennt das eine Einladung aussprechen – und die anderen einstimmen können, wobei in der Folge nicht mehr exakt definiert ist, wie lange das Zusammenspiel in einem solchen Quartettabschnitt dann fortgesetzt wird. Ebenso ist festgelegt, dass nicht jede Einladung angenommen wird sondern nur jede dritte bis achte; es darf auch konkurrierende Einladungen geben, sodass der genaue Verlauf des Werkes unfixiert bleibt.
Der Standard brachte in Vorschau auf das Konzert ein lesenswertes Interview mit Simone Heilgendorff, der Bratschistin des Kairos Quartetts.