Eher leise sind die Opern von Claudio Monteverdi im Vergleich mit dem Bombast des späteren Barock – und dennoch taugen sie für die heutige Opernbühne, in ihrer Schlichtheit reizvoll sogar im Vergleich mit Händel. Das Theater an der Wien eröffnet die neue Saison mit Il ritorno d’Ulisse in patria, 1640 in Venedig uraufgeführt.
Die Geschichte ist bekannt: nur mit Hilfe von Göttern kann Odysseus gegen den Zorn des Neptun überhaupt in die Heimat zurück kehren: dort erwartet ihn ein Haus voller Freier und eine misstrauische Penelope. Es kommt, wie es kommen muss: Odysseus tötet die Freier und gewinnt die eigene Frau wieder. So auch bei Monteverdi auf ein Libretto von Giacomo Badoaro, der ziemlich getreu sich an die Verse Homers hält. Lediglich die römischen Götter – sozusagen als Abziehbilder der hehren griechischen Vorlagen – scheinen dem wenig ausgeprägten Publikumsverstand der Zeit geschuldet.
Les Talens Lyriques interpretieren den fragilen Cantus mit gebührender Finesse, Christophe Rousset setzt sparsam Akzente – und das ist gut so.
Die Pariser Altistin Delphine Galou singt die Partie der Penelope eindrucksvoll über die gesamte Breite des Ausdrucks, nicht nur voll in den dunklen Partien sondern auch in den Höhen. Ihr zur Seite als Melanto sorgt die Schwedin Katija Dragojevic, die schon im Orfeo letzte Saison positiv aufgefallen ist, für intensive Höhepunkte und jauchzende Fröhlichkeit.
In der Götterriege glänzt Sabina Puértolas als Minerva, die ihren Schützling Odysseus gegen alle Fährnisse bis nach Haus geleitet und schlussendlich Jupiter – der italienische Tenor Emanuele d’Arguano – davon überzeugt, sich bei Neptun – Bass Phillip Ens – für den Frevler einzusetzen, der einst des Gottes Sohn Polyphem geblendet hat.
Heimkehrer Ulisses/Odysseus wird von Garry Magee – einst Preisträger beim Belvedere Gesangswettbewerb – mit ganz unbarocker Männlichkeit impersoniert, aber das hat Monteverdi ihm so auf die Lippen komponiert, womit er einen der wenigen starken Männer der Barockoper geschaffen hat, die nicht im Falsett singen müssen oder gar mit Frauen zu besetzen sind. Auch für den Telemach hat der Komponist einen gestandenen Tenor gewählt, hier gesungen vom Russen Pavel Kolgatin.
Neben den ernsten Helden legen Marcel Beekman als treuer Hirte Eumetos und Jörg Schneider als Diener Iro komödiantische Talente an den Tag, die auch musikalisch perfekt integriert werden. Christophe Rousset lässt ihnen nicht bloß die nötige Freiheit, er scheint sie geradezu zur Komödie zu ermuntern.
Regisseur Klaus Guth – dem, für das Haus inzwischen schon eher untypisch, nicht ein einziger Missfallenslaut entgegen tönte – hat dem Stück eine unaufdringliche Modernität verpasst, die diese einfache Geschichte weder historisch befrachtet noch psychologisiert; und das tut dem ganzen Werk eindeutig gut. Ausstatter Christian Schmidt hat einen extrem gut bespielbaren dreiteiligen Raum auf die Drehbühne gestellt, in dem die Geschichte ganz einfach funktioniert. Video (Adrian Andiel) und Licht (Bernd Purkrabek) verstehen sich gleichfalls aufs Unaufdringliche. So kommt Monteverdis Oper, die selbst über keinerlei Großspurigkeit verfügt, optimal zur Wirkung.
Ein gediegener Start in die Saison. Leider scheint Ö1 diesmal keine Aufzeichnung geplant zu haben.