Und das alles wegen…

Nicht mehr erhältlich – oder nur mehr antiquarisch -, aber ausnehmend lesenswert:

Pietro Redondi: Galilei der Ketzer
Pietro Redondi: Galilei der Ketzer

Der Fall Galilei gereicht der katholischen Kirche seit nunmehr zwei Jahrhunderten zur Lächerlichkeit, so viel ist inzwischen Allgemeingut. Und gemeinhin nimmt man an, Galileo Galilei sei wegen seiner im Gefolge Keplers ketzerischen Ansichten über das heliozentrische Weltbild der Inquisition ins Gehege gekommen. Aber das reicht als Erklärung beileibe nicht aus, um zu verstehen, warum die zentralen Institutionen dieser Glaubensgemeinschaft sich bis heute vehement wehren, ihrerseits den Irrtum der Verurteilung Galileis zuzugeben.

Dem italienischen Wissenschaftshistoriker Pietro Redondi kommt das Verdienst zu, in diese Angelegenheit neue Aspekte eingebracht zu haben, als er Anfang der 1980er Jahre seine Theorie veröffentlichte: Galilei sei nicht primär wegen seiner Thesen über den Kosmos auf die Listen der Inquisition, die in Rom damals mehrheitlich von den Jesuiten beherrscht wurde, gelangt, sondern wegen seines Eintretens für eine Form der Atomtheorie.

Das ist nun etwas, mit dem man Galilei gemeinhin nicht in Zusammenhang bringt. In seiner frühen Schrift Il Saggiatore stecken jedoch in der Tat Ansätze dazu. Aber wo liegt dabei das Problem der Glaubenswächter?

Das Problem liegt in einem Dogma, das erst sehr spät in der Kirchengeschichte vom tridentinischen Konzil 1545-1563 festgelegt wurde, mithin nicht lange vor dem Saggiatore, der 1623 erschien. Die katholische Kirche hat sich unter vielen anderen Fragen auf dem Tridentinum auch auf die Glaubensinhalte zur Transsubstantion in der Eucharistie festgelegt.

Die Querelen dazu haben eine lange Historie und durchziehen das gesamte Mittelalter und die Scholastik. Im Kern geht es – laienhaft gesprochen – um die Frage, ob die Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi nun echt ist oder symbolisch. Das Tridentinum hat festgelegt, dass diese Dinge echt zu verstehen sind.

Natürlich geht so ein offenkundiger Blödsinn nicht ohne geistige Verrenkungen ab – eine ganz wesentliche Rolle spielt dabei die scholastische Spitzfindigkeit der Beziehungen zwischen Substanz und Qualität, den Akzidentien.

Im Falle der Eucharistie, wo die Akzidentien ohne Substanz existieren, mußte man nur an ein Wunder denken, das den substantiellen Modus der Akzidentien des Brotes und des Weins trennte von der Material des Brotes und des Weins, ohne diese zu zerstören. Dank der Unterdrückung des substanziellen Modus behalten die Akzidentien ihre Realität (reale Spezies), aber es handelt sich nur scheinbar um Brot und Wein, denn diese Akzidentien sind nicht mehr mit ihrer Substanz vereint.

Wenn man dem Material eine grundlegende Rolle jenseits der Illusion zugestünde, vermöchte das ganze dogmatische Gebäude zum Einsturz verurteilt sein:

Aber: auch die Ansprüche der Vernunft hatten eine Grenze, und diese Grenze bildete klarerweise das eucharistische Dogma. Gott hätte niemals die Substanz von der Qualität getrennt, um die Menschen zu täuschen, wenn nicht die Substanz ex natura rei von der Qualität trennbar wäre.

Hier wird einerseits aus der theologischen Notwendigkeit eine ganze Welt abgeleitet – die sich aber nicht als stichhaltig erweist. In die andere Richtung aber droht eine Infragestellung dieser Weltsicht, das ganze Dogma zu kippen.

Man muss die Zeitläufe mit berücksichtigen: gerade eben hatten sich die Protestanten in einer ganzen Reihe solcher absurden Positionen vom Papsttum entfernt. Ob deren Positionen auf besseren Grundlagen fußen, sei jedoch dahingestellt. Insgesamt geht es mehr um kaiserliche Bärte als um irgendetwas Sinnvolles.

Eine Theorie vom Aufbau der Welt aus Atomen, wie rudimentär auch immer sie gegenüber dem heutigen naturwissenschaftlichen Weltbild auch sein mochte, zog der ganzen scholastischen Debatte den weichen Teppich, auf dem sie zu ruhen pflegte. Und ein Dogma auf dieser Grundlage konnte nur mehr das sein, was Wittgenstein Jahrhunderte später knapp und treffend mit Unsinn bezeichnet hat.

Aus der Sicht der Gegenreformation ist aber das Untergraben der theologischen Fundamente eine sehr, sehr gefährliche Angelegenheit.

So sieht also der Hintergrund zu Redondis These aus, Galilei sei primär wegen seiner Verfechtung einer atomistischen Theorie der Materie verfolgt worden. Die Verurteilung wegen seiner Kosmologie sei nur erfolgt, weil man das wesentlich wichtigere Problem Atomismus nicht breit treten wollte. Angeblich war Galilei über diese Hintergründe informiert. Aber das bestreiten die meisten Galilei-Forscher, wie überhaupt die gesamte Version Redondis eher Ablehnung erfahren hat.

Aus heutiger Sicht offenbart sich damit immerhin etwas, was bestens zur Anmutung dieses Grundphänomens der Religion als solche passt: der Blödsinn kann noch so haarsträubend sein, wenn man die Macht hat, kann man auch Zustimmung erzwingen. Umso wichtiger ist es also, unsere Erfolge seit der Aufklärung mit allen Mitteln – auch der Lächerlichmachung – zu verteidigen. Was Blödsinn ist, muss Blödsinn bleiben!

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