Dirigent Diego Matheuz, noch so ein venezolanisches Jung-Genie, von wo man, scheint’s, inzwischen mehr Dirigenten als Erdöl exportiert, sprüht nur so vor Energie, was man gut und durchaus angebracht für einen Jungspund finden mag. Er treibt aber die Wiener Symphoniker im sprichwörtlichen Schweinsgalopp durch die berühmt-berüchtigte Ouvertüre des Wilhelm Tell.
Gioachino Rossini hat viele Opern geschrieben, dazu mindestens gleich viel Ouvertüren, von denen manche natürlich weitaus bekannter geworden sind als die Werke, aus denen sie stammen. Die Tell-Ouvertüre ist wohl inzwischen so eine Art Signature Song des Feinspitzes aus Pesaro, wie ja auch die Tournedos mit Gänseleber untrennbar zu ihm gehören. Sie, die Ouvertüre, animiert offenbar manche Dirigenten dazu, sich richtig in Schwung zu bringen. So leider auch hier.
Doch dann bremst der quirlige Maestro sich zum Glück noch halbwegs ein, sodass der Rest der Oper in gediegener Qualität über die Bühne des alt-ehrwürdigen Theater an der Wien gehen kann. Das darf denn auch sein, ja sollte dringend so sein!
Zuerst einmal will sich Widerwillen regen, auch noch nach der rennenden Ouvertüre, und zwar gegen das Orchester: den Philharmonikern scheinen funkensprühende Galopps besser von den Saiten zu gehen als die niedere Sangesbegleitung. Aber auch hier überrascht der Maestro ein weiteres Mal: er vermag das Orchester in diesen Rossini zu zwängen. Das Werk hat’s verdient!
Das Ensemble ist mittelprächtig besetzt, John Osborn als Arnold und Christoph Pohl als Tell verkörpern bodenständige Schweizer, wenngleich man sich bisweilen mehr Esprit wünschen möchte. Über sie hinaus ragt die Mathilde von Jane Archibald zu allen Zeiten und scheinbar ohne alle Schwierigkeit. Ante Jerkunica strotzt ihnen allen gegenüber mit der ausgeuferten Kraft des Gessler. Der Rest kann als brav durchgehen.
Auf der Bühne herrscht ständig Bewegung, die Drehbühne will auch von den Sängern in vollem Sange buchstäblich erwandert werden. Das hindert sie zum Glück nicht am Singen, dafür belebt es die Inszenierung von Torsten Fischer außerordentlich. Hier spielt sich das gerade Gegenteil von einer Stehpartie ab. Das Auge dankt! Wenngleich die durchgängige Präsenz von Schusswaffen und totalitär-staatlich anmutenden Uniformen schon etwas ermüdend wirkt. Dieser Teil der Interpretation wirkt aufgesetzt, trägt im Grunde nichts bei und kulminiert in Szenen, wo die zahlreiche Soldateska mit ihren angelegten Gewehren beträchtlich zu stören und zu nerven beginnt. Man entwickelt als Zuschauer rasch das Gefühl, für subtilere Deutungen zu dämlich zu sein, jedenfalls in den Augen des Leading Teams.
Aber trotz einer eher zwiespältigen Inszenierungsleistung bleibt ein durchaus gelungener Abend.