Georg Friedrich Händel ist – neben seinen Opern, die man zur Zeit überall in die Spielpläne hebt – in erster Linie berühmt für seine Oratorien, und unter diesen vornehmlich für seine späten Werke, die aus der letzten Londoner Zeit.
Dass er in jungen Jahren bei seinem ersten Italienaufenthalt bereits ein Oratorium italienischen Stils geschrieben hat, ist weitaus weniger bekannt – er hat es denn auch selbst als Steinbruch für die Opern der Londoner Zeit benutzt, wohl wissend, dass keiner seiner angelsächsischen Zuhörer jemals das italienische Werk gehört haben konnte.
Aus Il Trionfo Del Tempo e del Disinganno ist allenfalls die Arie der Piacere „Lascia la spina“ bekannt, mit der sich schon Cecilia Bartoli gekonnt in Szene setzte.
In dieser Einspielung unter Emmanuelle Haïm singt Ann Hallenberg – siehe auch Il Ritorno di Tobia – die Piacere (Lust), Sonia Prina die Disingianno (Enttäuschung/Erkenntnis), Pavol Breslik den/die Tempo (Zeit) und: Natalie Dessay die Bellezza (Schönheit)!
Wie bei den meisten Werken Händels wird Raubbau an den Perlen auch des Trionfo getrieben, indem einzelne Arien in glamouröse Recitals aufgenommen werden. Dabei ist das gesamte Werk eine raffinierte musikalische Konstruktion, ein Meisterwerk des italienischen Oratorienstils, das es sich immer lohnt, von vorn bis hinten zu hören.
Am Libretto ist wohl in erster Linie bemerkenswert, dass ein römischer Kardinal sein Verfasser ist: Benedetto Pamphili, ein großer Förderer des jungen Händel. Und: dass es zu jener Zeit in Rom auf päpstliche Anordnung hin eigentlich verboten war, Opern oder Oratorien aufzuführen. Inhaltlich spiegelt es die katholische Verlogenheit jener Epoche wider: Die Bellezza, zunächst zur Piacere hingezogen, muss durch das Wirken des Tempo und der Disinganno allmählich erkennen, dass sie der Vergänglichkeit anheim fallen muss – und natürlich ist am Ende der Himmel ihrer:
Und wenn ich Gott nicht geachtet habe,
wirst Du als Wächterin meines Herzens
ihm das neue Herz bringen
heißt es in der Schlussarie „Tu del Ciel“.
Bemerkenswert an der Performance von Natalie Dessay ist, dass sie sich nahtlos in ein Ensemble von Könnern des barocken Gesangs einzufügen versteht – ganz ohne das Vibrato aus der Opernpraxis; sie beweist damit eine Vielseitigkeit abseits der komödiantisch angehauchten Rollen, für die sie zuletzt gefeiert und ausgezeichnet wurde, wie in Donizetti’s Fille du Régiment.
Für das Marketing der bei Virgin erschienen Aufnahme ist der Name Dessay zweifellos eine Verbreiterungsmöglichkeit, doch tut ihre Voranstellung den anderen beiden Damen durchaus Unrecht: man hat es mit einem homogenen Ensemble zu tun.
Die Pariserin Emmanuelle Haïm, die selbst ihre Sporen bei Les Arts Florissants verdient hat, leitet das 2000 von ihr gegründete Ensemble Le Concert d’Astrée, das vor allem in Glydebourne mit Händel-Opern hervorgetreten ist.
Eine runde Sache: wunderschöner Barockklang der leichten italienischen Art, noch ohne den teils schon schweren Bombast der Händelschen Oratorien der Londoner Zeit.
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