Geschichtsschreibung in stilistischer Brillanz

Eines der verhängnisvollsten Unternehmen der europäischen Geschichte startete im Jahre 1095 mit dem Aufruf von Papst Urban II zum Kreuzzug, um das Heilige Land aus der Besetzung durch die Muslime zu befreien. Überraschenderweise wurde gleich im ersten Heerzug 1099 Jerusalem erobert, was eine bislang ohne Vorbild blutige Angelegenheit war, und sogar eine Reihe von Fürstentümern in der Levante begründet.

Endergebnis der gesamten Kreuzzugsbewegung, die immerhin drei Jahrhunderte umspannte, war die gründliche Vernichtung der christlichen Präsenz im Vorderen Orient. Gab es um die Jahrtausendwende noch ein starkes Byzantinisches Reich und eine weit verbreitete Population christlicher Gemeinden von Persien bis Ägypten, so haben die Kreuzritter das alles mehr als gründlich zerstört – und den verbleibenden Christen das Leben unter dem Islam ungleich schwieriger gestaltet: die Intoleranz und Brutalität der christlichen Ritter förderte auch in ihrer religiös toleranteren muslimischen Gegnern die Unduldsamkeit – und den Wunsch nach Vergeltung.

Die umfängliche Geschichte der Kreuzzüge des englischen Historikers Steven Runciman stammt aus den frühen Fünfziger Jahren. Infolge dessen stimmt einiges schon nicht mehr: so schreibt Runciman dem Kinderkreuzzug eine Entwicklung zu, die man heute aus Mangel an ernstzunehmenden Quellen eher geneigt ist der mittelalterlichen Phantasie zuzuschreiben denn historischer Realität.

Ein anderes, wenn auch für das Zeitalter der Kreuzzüge nur randständiges Märchen erzählt Runciman über Mohammed, die frühen Jahre des Islam und seinen vermeintlichen Siegeszug zwischen dem siebten und neunten Jahrhundert: hier wird die arabisch-islamische Legende weiter erzählt, die nach neueren Erkenntnissen wenig bis gar keine Wurzeln in der Geschichte hat.

Sonst aber liest sich das Buch nicht nur detailreich und informativ, sondern in der Übersetzung von Peter de Mendelssohn wohltuend flüssig und nachgerade spannend. Steven Runciman gehört sicher in die Riege der historischen Autoren mit hoher stilistischer Kompetenz – eine Domäne der Engländer.

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