Wer reisen tut, der gehe in die Oper, wo immer er hin kommt: nach diesem Motto und unter Maßgabe der Spielpläne versuche ich, meine Sammlung an Opernhäusern beständig zu erweitern. Eine Reise in die Provence mit einigen Tagen Aufenthalt in Lyon ist die ideale Gelegenheit, der viel-gerühmten Opera de Lyon einen Pflichtbesuch abzustatten.
Da ist zum einen und allerersten das Opernhaus selber: ich liebe moderne Opernhäuser, die Argumente sind auf diesen Seiten schon öfter gefallen: man sitzt bequem, man sieht von überall, alles gundlegende Bedürfnisse eines Opernbesuchers, die in den meisten alten Kästen nicht gewährleistet sind, siehe die Malaise in der Scala. Aber auch aus dem Theater an der Wien und der Staatsoper komme ich meistens recht malträtiert wieder heraus. Ich liebe daher Häuser wie das Liceu, die Opera Bastille und eben auch die Opera de Lyon, die von Architekt Jean Nouvel in das Gehäuse der alten Oper gebaut und mit einem riesigen Tonengewölbe überbaut wurde.
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Zum Glück hat man erstens passend Termine auf dem Spielplan, und zweitens sogar eine Produktion des Festival d’Aix-en-Provence: die beiden Einakter Iolantha von Piotr Illich Tschaikowski und Perséphone von Igor Strawinskij in der umjubelten Inszenierung von Peter Sellars. Ein seltener Glücksfall, wenn man nicht dauernd extra wegen der Aufführungen herum reist sondern die Aufführung nach dem Reiseplan zu nehmen hat.
Nun ist mir die Iolantha ja musikalisch nicht eben ans Herz gewachsen, wiewohl ich sie schon im Theater an der Wien gesehen habe; aber auch damals kam keine Begeisterung auf. Daher große Vorfreude auf die Perséphone.
Und es kommt wie vorhersehbar: der Tschaikowski schleppt sich, da hilft auch die leicht ins Skurrile gehende Inszenierung nichts. Aber nach der Pause wird’s wie mit einem Paukenschlag anders und besser. Musikalisch sowieso, was mir der Tschaikowski zu fad ist, kompensiert der Strawinskij in all seiner Macht. Das elektrisiert schon bei den ersten Tönen.
Pauline Cheviller macht ganz und gar gute Figur als Perséphone, auch Paul Groves, der mir schon von Glucks Iphigenie en Tauride aus der MET und – weniger zufriedenstellend – Glucks Iphigénie en Aulide aus dem Theater an der Wien bekannt ist, vermag zu überzeugen in der Doppelrolle als Eumolpe und Priester.
Martyn Brabbins leitet Chor und Orchester der Opera de Lyon, indem er der Musik Strawinskijs ihre Kraft belässt und zugleich die Luzidität spüren macht.