Der alte Johann Sebastian Bach, müde von den Querelen mit seinen Vorgesetzten an St. Thomas und vor allem ihrer sturen Forderung, er möge seiner Lehrverpflichtung für Latein und Gesang nachkommen, widmete sich vielmehr konsequent dem eigenen Nachruhm: einige der Sammlungen, die er in den letzten Lebensjahren anlegte, versammeln längst zuvor komponiertes Material in neuer Zusammenstellung und teilweise Umarbeitung, mit denen der Thomaskantor seine Ansicht zur rechten Musicke zu dokumentieren suchte.
Der Musikwissenschaftler und Autor Martin Geck hat mit seinem dickleibigen Buch Bach – Leben und Werk ein hübsches zweigeteiltes Werk geschrieben: einerseits die etwa 300 Seiten umfassende Biografie eines Mannes, von dem es uns – neben seinen Werken – vielfach an verwertbaren Nachrichten gebricht, andererseits eine nachschlagefähige gründliche Sammlung von Analysen über das Werk in vergleichbarem Umfang.
Ist die Biografie Bachs im Grunde eine recht langweilige – er ist im Vergleich zu Zeitgenossen wie Teleman oder gar Händel so gut wie gar nicht herumgekommen, sieht man einmal von Reisen nach Hamburg oder Berlin ab, und er hat auch, mit Ausnahme einer stattlichen, aber zeitüblichen Kinderliste, sehr wenig Privates hinterlassen -, so hält sein Werk doch viel Spannendes bereit, das man unter einem grässlichen Schleier protestantischer Kirchenmusik erst einmal hervorsuchen muss.
Wohl sind die Brandenburgischen Konzerte länger schon Gemeingut, die Passionen seit der Wiederaufführung durch Felix Mendelssohn-Bartholdy im religiös verbrämten Festkalender fix verankert, auch haben die Goldberg-Variationen spätestens seit ihrer Inszenierung durch den Kanadier Glenn Gould Kultcharakter.
Möchte man sich einmal einen Überblick verschaffen über das vielgliedrige Kantaten- und Motettenwerk Bachs, wozu man dann und wann durchaus Lust bekommt bei der Lektüre von Becks detail- und kenntnisreicher Biografie, dann sollte man – solange noch verfügbar – entschieden zur Gesamtausgabe greifen:
Die umfangreiche
Bach Edition auf 155 CDs (plus CD-ROM mit Texten usw.) macht gerade das weniger im Interesse stehende geistliche Werk einfach und billig zugängig. Dass es fast überall kompetentere Aufnahmen gibt, ist aber eher ein Fall für ausgewachsene Liebhaber des Metiers. Bei den Passionen und vor allem den Kammermusikalischen Werken wird man jedoch durchaus zu Einspielungen erster Wahl greifen, da zahlt sich das auch aus.
Es gibt nämlich viel mehr zu entdecken an diesem langweiligen Orgelspieler:
- Sei solo, die Partiten und Sonaten für Violine
- die sechs Cello-Sonaten
- die beiden Teile des Wohltemperierten Clavier
- die späte Kunst der Fuge
- das für Friedrich den Großen zusammengestellte Musicalische Opfer
- und zuletzt die ‚catholische‘ h-moll-Messe
In Gecks wohlfeilem Bach-Buch findet man einen prächtigen Leitfaden durch dieses Werk, wenn auch der biografische Teil allzu sehr daran krankt, dass in Ermangelung von Lebensdaten und Informationen aus dem Alltag des Komponisten allzu flächig über die werkgeschichtliche Aufarbeitung der zahllosen Kantaten elaboriert wird. Das zwingt bisweilen zu selektivem Lesen, tut aber dem Wert des Bandes trotzdem keinerlei Abbruch.