Urlaubskasse – Portokasse

Hier im Dörfchen Kakovatos am Westpeloponnes ist von zwei Dingen, die derzeit die halbe Welt bewegen, rein gar nichts zu bemerken: die griechische Wirtschaftskrise ist hier ein eher schaumgebremstes Phänomen und das Klima tut, was es in jedem Jahr hier tut – und, möchte man anfügen, was die ganze restliche Welt auch zu tun scheint: sich nicht um Rio scheren.

Ich möchte damit gar nicht sagen, dass es nicht einzelne Spuren der griechischen Misere zu sehen gäbe. In erster Linie sind die ohnedies mageren Ströme internationaler Touristen, die diese Gegend selbst in guten Jahren abkriegt, so gut wie versiegt. Minoan Lines hat alle 3 wöchentlichen Abfahrten von und nach Venedig gecancelt, ANEK fährt vier Mal statt früher täglich. Man merkt also, dass weniger LKWs unterwegs sind und vor allem weniger Selbstfahrurlauber – das lässt Schlüsse auf den Zustand der griechischen Wirtschaft zu.

Teurer scheint aber nichts geworden zu sein mit Ausnahme von Sprit, aber der hat sich auch anderswo mindestens genauso verteuert; in Italien ist Tanken nach wie vor deutlich kostspieliger.
Zudem wird hier im Städtchen Zacharo und auch auf dem Dorf noch fleißig renoviert und gebaut, Straßen werden ausgebessert, neue Trottoirs gepflastert. Bis auf eine sind alle Tavernen, Cafés und sonstigen gastronomischen Einrichtungen offen wie auch in den Jahren davor. Allerdings: einen ersten Bettler – ein untypischer Vierzigjähriger mit zwei halbwüchsigen Kindern – habe ich hier durch die Kaffeehäuser ziehen gesehen, sonst eine Erscheinung, die auf die größeren Städte beschränkt bleibt.

Die Region hat aus dem Tourismus immer ein Zubrot gezogen, aber nie davon gelebt. Hier haben die Landwirtschaft und wahrscheinlich auch die EU die Leute wohlhabend gemacht, jetzt haben sie immer noch erstere und scheinen damit halbwegs über die Runden zu kommen. Vom Tourismus halten die einflussreichen Leute in der Gegend sowieso seit jeher wenig, weswegen sie immer schon dazu tendierten, Initiativen klein zu halten. Für Leute wie mich, die ihre Ruhe haben wollen, ist das natürlich eine ideale Voraussetzung, da ich gelernt habe, mich mit den Nachteilen zu arrangieren. Immer dann, wenn ich das kulinarische Angebot zu eintönig finde oder Zähne auf bestimmte Dinge kriege, die’s hier einfach nicht gibt, koche ich kurzerhand selber. Und ich führe aus Italien Spezereien ein, die es hier nicht in akzeptabler Qualität gibt.

Da aber die Bevölkerung Griechenlands zum überwiegenden Teil in den städtischen Agglomerationen weitab von der Landwirtschaft lebt, geben wohl die Medienberichte vom sich zuspitzenden Verfall eher die Realität im Lande wieder als diese Idylle auf dem Dorf. Nun gut. Ich bin sowieso wegen anderem da und trage halt mein Urlaubsbudget zur hiesigen Wirtschaft bei.

Die Vermieter berichten aber, dass zumindest die Bürokraten rühriger geworden sind: man hat sich noch dümmere und noch kompliziertere Formulare für die Gästeanmeldung einfallen lassen. Ich frage mich natürlich schon, um wie viel effektiver es die Steuereinhebung wohl macht oder welchen Beitrag zur Schuldentilgung es wohl leisten wird, dass man jetzt auch den Vornamen meines Vaters erhoben haben möchte.

Die Quoten stünden gut, wollte man darauf wetten, dass ein Wenig internationales Knowhow hier wahre Wunder zu vollbringen vermöchte; die Quoten stehen aber noch weitaus besser dafür, dass sich an dieser Misere rein gar nichts ändern wird. EU und Investoren werden von Geldern, die den Griechen direkt geliehen werden, nur einen verschwindenden Teil jemals wieder sehen. Insofern ist es also nur allzu gut nachvollziehbar, dass man das Geld lieber im Kreis herum zu den eigenen Banken zurück schickt als es den Griechen zu geben.

Zynisch? Nein, bitterer Ernst. Der griechischen Wirtschaft täte eine Kapitalinfusion Not. Da die Hilfsgelder aber wieder nur in die nächste Umschuldung fließen, kriegt sie nichts davon ab. Das System ist vergleichbar einer permanenten Bluttransfusion, bei der es um den Erhalt des Lebens des Patienten nur insoweit geht, als bei seinem Tode auch die Transfusion zum Stillstand käme, was jetzt grad irgendwie gar nicht passen täte.

Für die einzige Hoffnung, dass der permanente Druck vielleicht doch noch sinnvolle Reformen auf den Weg zu bringen vermag, stehen die Quoten allerdings schlecht. Der wahre Plan scheint es zu sein, jene andere Krise auszusitzen, die den ganzen Euroraum bedroht – und nach erfolgter Wiedererholung das leidige Problem Griechenland einfach aus der Portokasse zu erledigen. Wohin es ja im Grunde genommen von Anfang an gehört hätte: zu Tode gefurchten ist nämlich auch gestorben.

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