Für ungewöhnlich großes Instrumentarium, jeweils doppelt besetzte Bläser, ausgewählte Sänger und großen Chor, schrieb Joseph Haydn Anfang 1775 sein erstes umgängliches Oratorium Il ritorno di Tobia, angestachelt vom ansehnlichen Erfolg des Stabat Mater in den Jahren zuvor.
Das Werk steht noch – als eines der letzten – in der Tradition des napoletanischen Opernstils, wie er in Wien von Fux, Caldara, Bonno oder Wagenseil gepflegt worden war, eine konventionell gewirkte, aufs Imponieren angelegte Komposition mit enger Verwandtschaft zur Opera Seria.
Zunächst war Haydn enormer Erfolg für das eingängige Werk beschieden. Die Tonkünstler-Societät erzielte nie dagewesene Einnahmen in den Akademien mit Haydns Oratorium. Private Gönner ermöglichten weitere Aufführungen für die breite Masse.
Doch schon bald überrolte Haydn selbst mit seiner Schöpfung und den Jahreszeiten. Oratorien in einem vollkommen neuen Stil, den Erfolg seines Erstlings – sodass es bald nicht mehr gespielt wurde und ein letzter Versuch, das Oratorium zur Aufführung zu brignen, 1808 kläglich scheiterte. „Veraltetes Machwerk“, kann man in einem Tagebuch jener Zeit lesen.
Noch heute bedarf es eines Haydn-Jubiläums, um das Werk zurück auf die Bühne zu bringen (im Konzerthaus wird am 24. Mai eine der raren Aufführungen gegeben). Einstweilen heisst es, sich mit den recht wenigen Aufnahmen zu bescheiden. Neben der von Ferenc Szekeres mit dem Ungarischen Staatsorchester, die in die Haydn-Box aufgenommen wurde, existiert nur noch eine:
Andreas Sperling hat 2006 mit der Capella Augustina und dem VokalEnsemble Köln den Ritorno di Tobia eingespielt – als Weltneuheit zum ersten Mal auf Orginalinstrumenten.
Das Sänger-Ensemble mit den Sopranistinnen Roberta Invernizzi und Sophie Karthäuser, der Altistin Ann Hallenberg sowie Anders J. Dublin (Tenor) und Nikolay Borchev (Bass) belebt ein lange Zeit totes Stück spätbarocker Musikkunst.
Versionsgeschichtlich ist dieser Tobia etwas zwittrig geraten, hält Spering sich doch nahezu penibel an die ursprüngliche Version der Aufführungen von 1775, verzichtet aber dennoch nicht auf die kontrapunktischen Chorsätze der Umarbeitung Haydns von 1784. Die Kreuzung ist jedoch durchaus als gelungen anzusehen.
Die Geschichte des Tobia aus der Bibel ist wie alle diese Geschichten, eher matt, und die Zeitgenossen Haydns hätten wohl kaum mehr an Detail gestattet, gerade wo Tobia in seiner Hochzeitsnacht mit der schönen und verständigen Sara den Dämon Asmodeus verjagen muss; zum glück aber steht das Libretto in italienischer Sprache, also erspart man sich jedwedes überflüssige Verstehen der zweitklassigen Worte. Als vokale Grundlage sind sie allemal perfekt gesetzt.
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