Das ist ja per se nichts schlechtes: Verdi vermag duchaus auch ohne die Glanzlichter seiner populären Arien dichtes, hoch komprimiertes Musiktheater zu bieten: der Simon Boccanegra wird darum – oder trotzdem, ganz wie man will – von manchen als seine beste Oper gelobt. In der Staatsoper nunmehr in 41. Aufführung in einer Inszenierung von Peter Stein.
Musikalisch ist auch gar nichts daran auszusetzen: die Orchesterarbeit unter Yves Abel ist solide und nicht steif, was gerade bei dieser mehr politisch als zwischenmenschlich leidenschaftlichen Oper, die wie die Handlung selbst auch gesanglich von den Männerstimmen dominiert wird, doch leicht geschehen kann.
Dass indes die Handlung vollends verworren ist, schuldet sich in erster Linie der Tatsache, dass Verdi das ursprünglich 1857 uraufgeführte Werk dann 1881 wesentlich überarbeitete – und vor allem seinen neuen Librettisten Arrigo Boito die ursprünglich liebeständlerische Geschichte ins polititsche Bezugsfeld des Risorgimento verbieten liess. Nach der Vereinigung Italiens folgte innere Zersplitterung, gegen die Boito – und Verdi? – einen vernehmlichen Akkord setzen wollten.
So läuft denn eine recht unpassende, vereinzelte weibliche Figur durch dieses männliche Intrigenspiel, die immer dann gebraucht und in Szene gesetzt wird, wenn es gilt, die Männer daran zu hindern, einander die Schädel einzuschlagen. Sonst ist sie mehr ein Fremdkörper – und man wird den Eindruck nicht los, als sei sie dem Textdichter irgendwie lästig. Die gebürtige Rumänin Roxana Briban, in Wien noch eher zum Nachwuchs zu rechnen, mühte sich durch diese Partie – zum Teil ist der verhaltene Ausdruck wohl auch der Rolle geschuldet, denn Verdi hat im Simon Boccanegra kein Strahlen vorgesehen.
Bariton Leo Nucci – zu Wien müßte man ihn eigentlich standesgemäß mit Kammersänger titulieren – als Titelheld entledigte sich der Aufgabe mit Effizienz – leider mit wenig Bravour. Auch Giacomo Prestia als Patrizier Fiesco entwickelt bestenfalls gelungene Routine. Mit Mario Malagnini (Adorno) und Ejiro Kai (Giftmörder Paolo) komplettiert sich eine leider typische Repertoirevorstellung der Staatsoper. Zum Glück lebt dieser Verdi ohne Arien ganz gut.
Die von den Salzburger Osterfestspielen 2000 übernommene Ausstattung – Stefan Meyer – ist ähnlich zwiespältig, inhomogen wie die Handlung: reduziert, ohne Angst vor der Leere zu Beginn und am Ende, dazwischen ziseliert und vollgestellt, geradezu prunkend in der Ratsszene. Das wirkt wiederum wie eine Kompilation aus zwei verschiedenen Quellen. Der zentrale zweite Akt ist so gezwungen, sich über einer vollkommen zweckfreien Lichtorgel auszubreiten. Auch das Spiel mit dem Auf und Zu der Vorhänge wird niemals dramaturgisch ersichtlich, es passiert halt dann und wann irgendwie unmotiviert.