und das Schöne zeigt die kleinste Dauer…
Dem wäre wenig hinzuzufügen. Eine Radioversion der Strudlhofstiege von Heimito von Doderer fällt auf jeden Fall unter die Gruppe derjeniger Dinge, die uns zur Trauer gereichen. Nicht nur, dass jede audiovisuelle Umsetzung eines Lieblingsbuchs mit der eingebrannten Vorstellung des Lesers kollidieren muss – das kennt man von den leidigen Verfilmungen.
Insoferne ist das Projekt von Helmut Peschina – der für solche Adaptionen berüchtigt ist – von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Mit viel werblichem Getöse fährt der ORF, der gemeinsam mit dem Norddeutschen Rundfunk den Dreiteiler produziert hat, ein Schmuckstück österreichischer Literatur an die pappgedämmte Studiowand.
Das Schlimme ist, dass trotz prominenter Sprecherriege die direkten Reden der Personen hölzern klingen. An einer unscheinbaren Stelle fiel mir’s auch gleich in der ersten Folge auf (aus dem Gedächtnis zitiert, da ich auf einer Autofahrt zuhörte):
Wer fährt morgen mit von der Konsular-Akademie in der Waisenhausgasse?
fragt da im Hörspiel einer aus dem Café Pucher den Leutnant Melzer.
Bitte, so spricht doch keine einzige Figur aus einem Doderer-Roman! Das ist eine Vergewaltigung der sorgsam auf den einzelnen abgestimmten Sprechweisen seiner Figuren!
Obendrein ist das kein sagbarer Satz, nicht im Kontext und schon gar – aber vor allem nicht im Kontext! Die Herrschaften im Café Pucher gehören dem Umkreis des Ballhausplatzes an, oder diesem direkt, wo der Sitz des k.u.k. Ministeriums des Äußeren sich befand. Und die Konsular-Akademie bildet deren Nachwuchs heran – ergo wurde sie, analog zum „Ballhausplatz“, einfach nach ihrer Lage kurz die „Waisenhausgasse“ genannt…
Und richtig – so steht es bei Doderer (auf Seite 70 meiner Erstausgabe):
Wer fährt morgen mit von der Waisenhausgasse?
fragte Semski.
Mehr ist da auch nicht zu sagen. Die Erklärung für den Leser, der vielleicht mit dem Code nichts anzufangen weiss, steht im Absatz danach, da wo sie hingehört. Dem Romancier Doderer war in Fleisch und Blut gelegen, wie die Leute, ob Wiener oder sonstwoher, sprechen. Und was.
Freilich, zum Quetschen eines 900-seitigen Konvoluts in ein paar Stunden Hörspiel muß man Sätze sparen. Aber dieser literarische Unverstand, dieses Ungefühl, das da werkte, tut weh. Wozu macht einer ein Hörspiel aus einem guten Roman, wenn dann die Leute reden wie in einem schlechten, was sie im Buche selber nie tun?
Jedenfalls liegt jetzt die Studlhofstiege wieder heraussen und wird – zum wie vielten mal eigentlich? – wieder gelesen. Danke also immerhin für den Anstoß.
Aber auch das Schauspielhaus wagt sich dieser Tage an eine Dramatisierung dieses meist so genannten Großstadtromans. Das Interesse ist geweckt. Mal sehen.