Nikolaj Gogol gilt als Klassiker der russischen Literatur – und wenn man die Maßstäbe unserer Klassiker deutscher Sprache daran anlegt, denn wird das wohl über weite Strecken gelten, so man eine Kraft und Macht der Sprache, in diesem Fall der russischen, anzunehmen geneigt ist, die sich uns – leider – in dieser Übersetzung nicht erschließt.
Was seinen unvollendeten Roman Die toten Seelen angeht, so gebricht es uns heute und hier weit weg von Russland ebenfalls an der intimen Kenntnis der geschilderten Kleinbürger, um die parodistische Ader Gogols wirklich zu würdigen.
So verbleibt uns zum Amüsement die Beschreibung schrulliger Charaktere in einer makaberen Geschichte, in der es sich um Auswüchse der Leibeigenschaft dreht: der reisende Scharlatan Tschitschikow kauft tote Bauern, die aber noch in den Konskriptionslisten stehen, für die also der Eigentümer noch Kopfsteuer zu zahlen hat, was die eigentliche Motivation ausmacht, sie auch zu verkaufen.
Was Tschitschikow mit seinen toten Seelen anstellen möchte? Der Roman verrät es uns nicht; dem Nachwort können wir entnehmen, dass damit in jenen Tagen wohl so etwas wie Kreditbetrug betrieben wurde.
Das Buch ist schrecklich langweilig zu lesen, es ist nur dann und wann bissig genug, um einem das Lachen auf die Lippen zu treiben; meist bleibt die feine Feder Gogols – das soll sie ja gewesen sein – im Morast der russischen Weite stecken, die sich uns allerhöchstens über einen umfänglichen Kommentar erschlösse – aber wer will schon belehrt werden, um einen Roman witzig finden zu können? Als moralisches Werk kommt es für uns heutige zu spät; auch und vor allem, weil es unvollendet geblieben ist, vom zweiten Teil nur eine Sammlung von Entwürfen und von dritten gar nichts auf uns gekommen ist.
Demgegenüber kann man mit Dostojewskij, der auch ein Klassiker ist und auch als ein Moralist zu bezeichnen, bedeutend mehr anfangen – vornehmlich wohl, weil seine Romane gut gebaut und seine Fabeln nicht bloß angerissen sondern vollendet sind.
Beim Roman Böse Geister, der im Deutschen früher unter dem Titel Dämonen veröffentlicht wurde, bietet gerade die geniale neue Übersetzung von Swetlana Geier einen Autor zu entdecken, der neben seiner historischen und moralischen Qualität vor allem auch große Literatur zu bieten hat; köstliche Schilderungen, buntes Treiben, vielfältige Charaktere und auf den einzelnen zugeschnittene Sprechweisen, die integrale Teile ihrer Charakterisierung werden.
Endlich ist dies alles einmal greifbar. Aber nicht, dass vorangegangene Übersetzungen das alles hätten unter den Tisch fallen lassen! Ich habe von mehreren Durchgängen, die ich dem Roman in Quellenstudien zu Heimito von Doderers Dämonen schon gewidmet habe, durchwegs den Eindruck einer fast bleiernen, aber durchweg eben öden Schwarte mitgenommen.
Swetlana Geier ist es offenbar geglückt, dem Text jenes Leben einzuhauchen, das er vermeintlich – mir steht das ja nicht an zu beurteilen – im Russischen hat. In dieser deutschen Fassung ist er, trotz aller dahinter stehenden Interessen, einfach auch eine Lesefreude.