Man soll ja bekanntlich als Freund der Oper nichts gegen Wagner haben. Habe ich auch nicht. Er zählt nicht zu meinen Favoriten, aber es geht so. Ein Vorläufer der Moderne halt. Das Unerträgliche an Wagneropern ist aber der Traditionskitsch, der sich über die Jahre und vollkommen eingelullt von der Aufführungspraxis noch aus Hitlertagen herüber gerettet hat. Und dazu kann man nicht mal mehr einfach Bayreuth sagen – selbst dorthin ist, mit etlicher Verspätung zwar, das zwanzigste Jahrhundert vorgedrungen.
Bei Opern gibt es im Repertoirebetrieb stolzer Opernhäuser wie der Staatsoper oder Met wahre Inszenierungsleichen – und auf einigen steht als Etikett ‚Otto Schenk‘ drauf. Das bürgt für ausgeleierte Öde und vollständig ideenfreies Nachempfinden uralter Konventionen.
Die FOCUS-Edition hat nun einen Sampler von 8 DVDs mit bemerkenswerten Inszenierungen herausgebracht – unter dem breit gefassten Titel ‚400 Jahre Oper‚. Mit Traviata, Zauberflöte, Carmen, Eugen Onegin, Rheingold, Giulio Cesare, Lucia di Lammermoor und Salomé sind einige der besten Opern der Geschichte versammelt – das ja.
Die Einspielungen entstanden allesamt in London und New York, nur der Händel kommt aus Dresden. Eigentlich verwunderlich, denn grade das Barocke hat auf der Regeninsel eine besonders starke Tradition. Dabei versammelt sich eine illustre Reihe von Sängerinnen und Sängern der ersten Liga, doch auch Regisseure von Format – mit der einen beklagenswerten Ausnahme: Otto Schenk verfolgt mich auch hier! Dabei habe ich genau diese Met-Inszenierung schon mal gekauft, und zum Glück als einzelne und nicht gleich den ganzen Ring! So konnte ich noch rechtzeitig auf den Ring aus Bayreuth unter Boulez umdisponieren. Wozu kauft man sich denn einen Bildträger, wenn die Bilder nichts taugen? Das kann man sich echt nur geben, wenn man die Augen zumacht… Fabelhafte Sänger, runde Leistungen, ein bestens anleitender Sir Georg Solti – was wollte man mehr, hätte man nicht den unsäglichen Wicht aus Wien zu Werke gelassen: gräßlich. Leider, dieses Stück sprengt die Edition!
Von den achten sind also nur sieben perfetto.
Nun, man könnte sich eindeutig mehr darunter vorstellen, was 400 Jahre Oper ausmacht, als auf bloß 8 Silberscheiben Platz hat:
- Schon der Beginn dieser 4 Jahrhunderte Operngeschichte glänzt durch das Fehlen des Orfeo, mit dem Claudio Monteverdi 1607 die neue Kunstform begründete.
- Die Zauberflöte ist sicher die eingängigste – auch durchaus schöne – Oper Mozarts, doch könnte einem der Don Giovanni auf Dauer besser gefallen.
- Und Tchaikovskij’s Eugen Onegin kann wohl am ehesten als Kompromisskandidat aus der reichen russischen Literatur gewertet werden – es gibt bedeutendere Stücke, wenn sie auch vielleicht weniger nahe am Mainstream liegen mögen.
Freilich, über alles das jammern, was nicht Platz gefunden hat – oder wo die Rechte nicht günstig genug zu kriegen waren -, ist sicherlich müßig. Mit einem Preis von knapp über 10 € pro DVD ist das Ganze äußerst wohlfeil ausgefallen! Vielleicht animiert das ja auch Menschen, die von den eher 40 Mäusen regulärer DVDs abgeschreckt sind, sich im Patschenkino mal ein paar Abende Oper anzutun…