Es geschehen noch echte Wunder, auch in der Staatsoper, selbst wenn das von diesem Opern-Museum eigentlich ganz und gar nicht zu erwarten stünde: der (endlich) scheidende Direktor, den man ja für den Verantwortlichen dieser verstaubten Institution halten muss, hat vor nunmehr drei Jahren einen seltenen Geistesblitz gehabt und seinem Haus eine Oper bestellt. Irgendwie scheint er schon lange zu planen, sich in anderem Lichte verabschieden zu wollen als dem, in dem er hier so lang agierte.
Den wohl zu den bekanntesten und erfolgreichsten Opernschreibern unserer Zeit zu zählenden Berliner Aribert Reimann ereilte denn der Ruf des Wiener Potentaten. Was wie eine Märchenstunde klingt, ist denn doch noch Realität geworden. Und fernab aller Unkenrufe ist die Uraufführung der Medea ein veritabler Erfolg geworden.
Allen voran ist das der lebendigen, kraftvollen, die Handlung treibenden und niemals bloß illustrierenden Musik Reimanns zu danken. Reimanns Behandlung der Stimmen ist eine Klasse für sich – fast bis auf Mozart zurück weist die feinsinnige Verwendung individueller Koloraturstile für seine Hauptpersonen.
Dass der Komponist sich dazu just eine nahezu vergessene Dramatisierung des Stoffes durch den österreichischen Parade-Langeweiler und passionierten Schulbuch-Dichter Franz Grillparzer auserkoren hat, ist seine Sache. Der Text ist sowieso nicht zu verstehen, doch man weiss auch ohne dem, woran man ist.
Das Stück lebt und stirbt mit der Besetzung der Hauptrolle – für die Sopranistin Marlis Petersen hat Reimann diese Rolle geschrieben, die enorm schwierigen Koloraturen und die trillernde Verzweiflung ihr auf die Stimme komponiert. Die reine Linie und die unsäglichen Höhen, die sie bemeistert, machen denn die ganze Aufführung so grandios: das ist moderner Belcanto!
Die ihr beigesellte Amme Gora – gleichfalls fulminant: Elisabeth Kulman – repräsentiert das fremde, ferne Kolchis, in dem Medea einst Königstochter war, ehe sie dem Iason zum Besitz des Goldenen Vlieses verhalf und mir ihm floh. In seiner Heimat nun, Griechenland, ist sie die Fremde, Abgelehnte, Angefeindete – und die ob ihrer Zauberkraft Gefürchtete. Dass sie am Ende ihre Nebenbuhlerin – und die eigenen Kinder! – umbringt, ist nur unvermeidlich, jedoch in der Sichtweise Grillparzers keineswegs dämonisch, sondern eindeutig Folge ihrer Einkreisung und Ausgrenzung. Allein, des Wiener Hofarchivars wurmisierende Interpretation funktioniert am Stoffe nicht. Es geht nicht um die Frau, es geht um etwas vollkommen anderes. Das verstand die Antike, und sonst wohl seither niemand mehr.
Ihr Geliebter Iason hat wohl auch deswegen sie inzwischen satt: der Schwachpunkt der Besetzung ist hier Adrian Eröd, der wie gewohnt als Repertoireinterpret agiert, wenig eingehend auf die Rolle oder das Stück, was sich auch kaum ausgehen kann, wenn einer hintereinander sonst noch den Loge im Rheingold, den Albert im Werther, Olivier in Capriccio und zur Draufgab‘ den Figaro singt… Für ihn
sind all diese Rollen eben Partien, die einfach nur etwas höher oder etwas tiefer liegen: der sängerische Zugang bleibt aber im Grunde der gleiche.
Man muss sagen. das hört man. Er leiert seinen Part, den er obendrein ins tolpatschig Linkische verlegt – und man gibt dann vielleicht noch dem Grillparzer daran die Schuld, der seine Medea schließlich ganz bewußt um die Frau zentriert habe und um keinen Heros. Nun ja.
Eingangs arg verpielt wirkt die griechische Gegenspielerin Kreusa, Tochter des Königs von Theben, die den Iason umwirbt – und er sie. Michaela Selinger verleiht der Rolle mit ihren lieblichen, zunächst auf Arglos getrimmten Jungmädchen-Koloraturen je länger das Spiel dauert umso durchtriebenere Untertöne. Auch sie ein Lichtblick in dieser Aufführung.
König Kreon, der zunächst die Flüchtlinge aufnimmt, dann jedoch auf der Entfernung Medeas, der Fremden, besteht, um Iason seiner Tochter zu vermählen, ist ein sorgenvoller, dabei immer wieder hinterlistiger Mann, kongenial dargestellt und gesungen von Michael Roider. Auch das gelegentliche Kippen in der Stimme, das wohl von Reimann so geschrieben ist, da es jeweils in die Aufregung passt, meistert er flüssig.
Die Liebe der neuen Musik zu alten Stimmen wie Alto oder Countertenor ist inzwischen wieder etwas abgeklungen, und Reimann begründet seine Wahl schlüssig: der Bote des Gerichts hat die höchste Stimmlage zu haben, höher als der tenorale König noch – ergo singt Max Emanuel Cencic seine Premiere an der Staatsoper, wo sonst – mangels barockem Repertoire – wenig Platz für seinereinen ist. Und er tut es wundervoll, der Würde eines Priesters und heiligen Boten angemessen, der Musik Reimanns gemäß.
Diese wird vom Staatsopernorchester unter Michael Boder – der ein ausgewiesener Spezialist für die jeweils neueste Neue Musik ist – profund geleitet und erweckt die dichte Partitur zu einem eigenständigen Leben: die Musik treibt geradezu die Handlung immer voran, nimmt bisweilen das Kommende glatt vorweg, wie sie etwa in einem der wenigen lyrischen Momente Medeas, wenn sie sich eine gute Zukunft ausmalt, dumpf drohend dazwischen fährt.
Obwohl modern ist Reimanns Musik erfolgstauglich, ohne sich anzubiedern oder im geringsten platt zu werden. Er macht es sich nicht einfach, doch sein