Eine neue Tosca – nur in Übersee!

Regisseur Luc Bondy hat sie treffend The opera of the operas genannt: und wahrlich, des Herrn Giacomo Puccini Tosca darf sich mit nur ganz wenigen um diesen Titel balgen!

Wenn ich aber daran denke, wie sie in der Staatsoper seit vielen hundert Vorstellungen verhunzt wird, dann kann sie einem auch leid tun: seit über 45 Jahren dieselbe Chose! Das bedeutet nun quasi seit Menschengedenken ein und die gleiche Inszenierung!

Wohl, auch jene der MET hatte 25 Jahre auf dem Buckel. Aber: Peter Gelb, der General Manager der MET, sagte es anläßlich der LIVE-HD-Übertragung: es war schon höchste Zeit, eben diese neue Tosca ins Repertoire zu heben. (Da könnte sich der alte Rumäne bei uns noch ein Scheibchen abschneiden – aber einerlei: bald sind wir ihn ohnehin los! Es kann ja nur besser werden.)

Nicht besser vorstellbar ist aber diese New Yorker Produktion mit Karita Mattila als romantisch-heldenhafte Titelheldin: genauso wie diese Rolle sangliche Brillianz erfordert, braucht sie, zumindest auf der Bühne und schon gar bei den Close-Ups im Kino, schauspielerische Meisterschaft. Über beides verfügt die Finnin in mehr als ausreichendem Maß. Während sie singt, erweckt sie wie nebenher die Liebende, die Rasende, die Verzweifelte und die zum Töten Entschlossene glaubhaft zum Leben.

Die realitätsnahe Präsentation ist wohl in erster Linie Luc Bondy zu danken, der von seinen Sänger-Darstellern verlangt, lebendige Menschen in extremen Situationen zu verkörpern.

Der Scarpia des Georgiers George Gagnizde ist denn auch eine Ausgeburt der Bosheit, Hinterlist und Verschlagenheit – wenn Puccini solche Verkörperung gekannt hätte, wären wohl die beiseite gesungenen bösen Absichten schon in der Komposition unterblieben: Gagnizde braucht nur zu schauen, er bräuchte nicht auch noch zu singen, was er vor hat.

Daneben musste der argentinische Tenor Marcelo Álvarez als Cavaradossi reichlich blass bleiben: steifes Spiel, im Wettbewerb mit den anderen beiden wenig Ausdruck.

Über das Dirigat von Joseph Colaneri kann ich wenig sagen: es war – im Schatten einer grandiosen Leistung der Darsteller – eher unauffällig; vielleicht eben dadurch optimal. Und leider hat Puccini seiner Tosca keine nennenswerten Orchesterpassagen spendiert, lieber alles in die geraffte Dramatik gesteckt. Das macht vielleicht die Größe dieser Oper aus.

Dagegen ist das Bühnenbild von Richard Peduzzi monumental und einfallslos. Die Kostüme sind handlungszeitgemäß, jedoch mit feiner Ironie – Scarpia gepanzert im ganz und gar nicht politisch korrektem Kroko-Look. Kostümbildnerin Milena Canonero hat ihn denn auch – vor laufender amerikanischer Kamera nicht eben alltäglich – einen Son of a Bitch genannt.

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