Vieles in der Philosophie – insbesondere in den Versuchen, Systeme aufzustellen – will sich partout nicht mit dem bescheiden, was da ist, wie es der Pragmatismus tut. Bei der Suche nach innersten Grundlagen, nach Absolutheit, Prinzipien usw. schleichen sich ein Sollen und ein Zwang zum So-Sein ein, oft in der Gestalt von Geist oder Vernunft – dabei erkannte schon Feuerbach:
Der Mensch denkt, nicht das Ich, nicht die Vernunft.
Man muss Feuerbach – insbesondere seine Grundsätze der Philosophie der Zukunft – auch heute noch lesen, gerade weil Marx und Engels ihm einen grundlegenden Einfluss auf ihr Denken zuerkannten, denn das beruhte, wie sie selber später bemerkten, auf einem Mißverständnis: Feuerbach hat insbesondere Hegel eine – unbewußten? – Theologismus geziehen:
Das Wesen der spekulativen Philosophie ist nichts anderes als das rationalisiserte, realisiserte, vergegenwärtigte Wesen Gottes.
Ent-personalisisert, ent-körperlicht, ent-menschlicht ist das Prinzip, der Weltgeist, nichts wesentlich Anderes als der Gott der Theologie. Feuerbach kam zu der Erkenntnis, dass nur der Mensch denke, der Mensch glaubt, der Mensch Gott erschafft, weil er eben nicht anders kann, und alles Gerede von den außer dem Menschen existierenden Göttern – wes Gestalt auch immer – nicht überwundene Theologie ist. Und Feuerbach versteht diese Theologie als Gegensatz zur materiellen Wirklichkeit als Objekt der Sinne.
Bleibend von ihm ist auf uns gekommen: der Mensch ist das Maß aller Dinge; doch auch das läßt sich schon bei Protagoras im Homo-mensura-Satz lesen – und gerade im Hinblick auf die religiösen Vorstellungen auch bei Xenophanes:
Wenn aber die Rinder und Pferde und Löwen Hände hätten und mit diesen Händen malen könnten und Bildwerke schaffen wie Menschen, so würden die Pferde die Götter abbilden und malen in der gestalt von Pferden, die Rinder in der von Rindern, und wie würden solche Statuen meißeln, ihrer eigenen Körpergestalt entsprechend.
Das heißt wohl nicht viel anderes denn was Feuerbach im Wesen des Christentums formulierte: nicht Gott habe den Menschen, sondern der Mensch habe Gott erschaffen, der Gott insbesondere des Christentums sei das aus sich heraus projizierte Wesen des Menschen selbst.
Feuerbachs bleibendes Verdienst liegt in der Erkenntnis, dass auch die Suche nach Letztbegründungen, Prinzipien, innersten Wahrheiten eine Form von Theologie darstellt: immer gibt es hier etwas, das an den Anfang gesetzt wird, eine nicht hinterfragte, nicht weiter zu hinterfragende Ausgangsposition… und wenn es der nachvollziehbare Wunsch ist, nicht in Beliebigkeit zu enden, nicht der Willkür tür und tor zu öffnen und dergleichen mehr. Die Angst vor dem Menschen ist unter Menschen offenbar groß, da muß dann schon ein Gott vorhalten. Als hätten Götter und Religionen irgendwann den Wolf im Menschen zu zähmen vermocht!
Mit Feuerbach wäre dazu zu sagen:
Die Wahrheit existiert nicht im Denken, nicht im Wissen für sich selbst. Die Wahrheit ist nur die Totalität des menschlichen Lebens und Wesens.
Und:
Wolle nicht Philosoph sein im Unterschied vom Menschen, sei nichts weiter als ein denkender Mensch, denke nicht als Denker… denke als lebendiges, wirkliches Wesen… denke in der Existenz, in der Welt, als ein Mitglied derselben.